Riskantes aus dem Obstgarten
Berlin · Wer auf Medikamente angewiesen ist, muss immer an ihre Nebenwirkungen denken. Dabei können auch im ersten Moment völlig harmlos erscheinende Substanzen, wie zum Beispiel das Koffein, eine Rolle spielen.
Am Ende der kalten Jahreszeit steht unser Immunsystem unter Stress. Da ist es nur vernünftig, ihm mit Vitaminen ein wenig Unterstützung zuteil werden zu lassen oder die Ernährung umzustellen. Das klingt gesund - doch wer auf Medikamente angewiesen ist, müsse dabei immer auch auf Wechsel- und Nebenwirkungen achten, warnt Professor Martin Wehling von der Universität Heidelberg. Wehling leitet die Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapie der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG).
Schon lange ist bekannt, dass es Wechselwirkungen zwischen Medikamenten gibt. Weniger stark im Bewusstsein verankert sei aber, dass auch Nahrungsmittel die Wirkung von Arzneistoffen änderten und das ganz unabhängig vom Alter, so die DGG. Überhaupt keinen Unterschied mache es dabei, ob eine Substanz natürlich entstanden sei oder aus einer pharmazeutischen Fabrik komme. "Auch Pflanzliches wie Johanniskraut und Grapefruit kann richtig giftig sein", erklärt Wehling.
Johanniskraut gilt als ein Hausmittel für schwierige Zeiten. Es hebt die Stimmung und kann Ängste abbauen. Doch könne das Kraut auch "drastische Wechselwirkungen" hervorrufen, erläutert Wehling. Die Wirksamkeit von Statinen - sie werden bei Störungen des Fettstoffwechsels eingesetzt - sei vermindert, das Risiko für eine Herz- oder Nierenabstoßung nach einer Transplantation steige. Außerdem müsse Johanniskraut vor einer Operation mindestens für fünf Tage abgesetzt werden, weil sonst das Risiko für Blutungen erhöht sei.
Auch die Grapefruit enthalte aus pharmakologischer Sicht riskante Substanzen, so der Mediziner. Ihre Bitterstoffe beeinflussten die Wirkung von Arzneimitteln im Körper. Das gelte zum Beispiel für Immunsuppressiva, Statine und sogenannte Kalziumantagonisten, die für Herzpatienten wichtig sind. Wehlings Rat lautet daher, auf Grapefruit zu verzichten, wenn Arzneimittel eingenommen werden. Auch Ginkgo-Präparate kommen bei Wehling nicht gut weg. "Es ist ein völlig überflüssiges Mittel mit nur einer bekannten Wirkung, nämlich dass es Blutungen auslösen beziehungsweise die Wirkung von blutverdünnenden Arzneien verstärken kann."
Wer viel Lakritz isst, riskiere Bluthochdruck, so die Gesellschaft für Geriatrie . Dafür sei Glycyrrhizin verantwortlich, das in der Wurzel dieser Süßholzpflanze vorkommt. Und auch bei Koffein, das eigentlich ein hochwirksamer pharmazeutischer Wirkstoff sei, verhindere nur die Tatsache, dass es in unserer Nahrung natürlich vorkomme, dass es als Arzneistoff genauer untersucht und mit entsprechenden Gefahrenhinweisen versehen werde.
Immerhin: Ein Gutes könne der Wirkstoff des Kaffees schließlich bei alten Menschen doch haben. Wenn Patienten, die an einer Vorstufe einer Demenz und Schlaflosigkeit leiden, abends Kaffee trinken, werden sie ruhiger. Abhängig von der individuellen Konstitution eines Patienten könne eine Substanz also ganz unterschiedliche Wirkungen haben.