Rassistische Hetze im Netz wächst

Dresden · In der Anonymität des Netzes hetzen Rassisten hemmungslos. Vor allem gegenüber Flüchtlingen verschärft sich der Ton. Die Zahl politisch motivierter Straftaten im Internet nimmt zu. Verfassungsschützer schlagen Alarm.

Viele Kommentare auf Anti-Asyl-Seiten im Netz erfüllen längst Straftatbestände. "Da wird immer mehr gehetzt und gepöbelt. Ich spreche schon gar nicht mehr von sozialen, sondern von unsozialen Medien", sagt der Sprecher des sächsischen Verfassungsschutzes, Martin Döring. Die Ausdrucksweise habe sich in den vergangenen Monaten deutlich verschärft. Als anonyme Nutzer im Netz tauschten einige längst mehr als nur Stammtischparolen aus - "ohne Rücksicht auf irgendjemand."

Nicht selten stammten solche menschenverachtenden Kommentare aber auch von Extremisten. Vor allem bei Facebook outeten sich Menschen oft als Rassisten. Dabei sei vor allem die Asylpolitik ein Thema, erklärt Döring. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz stuft inzwischen 53 Facebook-Seiten als rechtsextremistisch ein. "In Foren finden sich immer mehr Beiträge mit rassistischen Äußerungen", bestätigt der Medienpsychologe Clemens Schwender, Professor an der Hochschule der populären Künste in Berlin. Doch manche Rassisten im Internet werden inzwischen mit ihren eigenen Waffen bekämpft. Im sächsischen Freital entstand unter dem Slogan "Perlen aus Freital" ein Internet-Pranger gegen Rassismus. Die Akteure, die verdeckt arbeiten und bereits Morddrohungen erhielten, gehen Nutzerkommentaren wie "Gaskammer statt Dönerfleisch" nach. Grenzen kennen die Hetzer kaum, manche rufen zu direkter Gewalt gegen Flüchtlinge auf. Oft sei der Grat zwischen extremen, aber noch zulässigen Äußerungen und dem verdeckten oder offenen Aufruf zu einer Straftat schmal, berichtet einer der Betreiber der Seite Perlen aus Freital: "Gefühlt trauen sich mittlerweile mehr rassistische Nutzer heraus aus den geschlossenen Gruppen in die Netzöffentlichkeit." Die steigenden Flüchtlingszahlen machten auch Bürger aus der Mitte der Gesellschaft empfänglicher für derartige Botschaften. Neu sei aber, dass man nun sogar offen zu Brandstiftungen aufrufe.

Dass den Worten auch Taten folgen können, lässt die zunehmende Zahl von Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte in Deutschland vermuten. Laut dem Bundesinnenministerium (BMI) gab es bundesweit in der ersten Hälfte des Jahres 2015 bereits mehr Anschläge (202) als im gesamten Jahr 2014 (198). Experten gehen davon aus, dass sich Neonazis und Hooligans durch Hetze zum Handeln ermutigt fühlen.

Nach Angaben des sächsischen Landeskriminalamtes haben politisch motivierte Straftaten im Internet in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Im Jahr 2012 wurden 77 entsprechende Fälle in Sachsen erfasst, 2014 waren es bereits 182. Mitte Juli dieses Jahres stand man bereits bei 169. "Der thematische Schwerpunkt liegt hier allerdings bei der Verherrlichung des Nationalsozialismus. Erst 2015 macht sich eine Verlagerung zu fremdenfeindlichen Inhalten bemerkbar. Auch die Asylthematik rückte nun immer mehr in den Vordergrund", sagt die Sprecherin der Behörde Kathlen Zink.

Wird man Opfer oder Zeuge von rassistischer Hetze im Internet , rät der Berliner Anwalt Ansgar Koreng zur Anzeige bei der Polizei . Das könne auf jeder Dienststelle erledigt werden. Mit Beweismitteln wie Bildschirmfotos haben Anzeigen eine größere Aussicht auf Erfolg. Zudem könne es ratsam sein, Seitenbetreiber wie Facebook nicht sofort zum Löschen der Beiträge aufzufordern. Sonst könnten Beweise gelöscht werden, bevor die Polizei die Ermittlungen aufnimmt.

Zum Thema:

HintergrundRassistische Kommentare im Internet können juristische Folgen haben. "Wenn die Inhalte volksverhetzend oder Aufrufe zur Gewalt sind, drohen Geld- oder Freiheitsstrafen", sagt der Berliner Anwalt Ansgar Koreng. Bei Aufrufen zur Gewalt könne es weitere Probleme geben. Setzt jemand die Tat um, könne er als Anstifter bestraft werden. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort