Nachhaltige Ernährung Apps sollen Essen vor der Tonne retten

Saarbrücken · Lebensmittel, die übrig geblieben sind, müssen nicht auf den Müll. Programme geben Tipps, was Verbraucher damit tun können.

 Jedes Jahr landen tonnenweise Lebensmittel im Müll, die eigentlich noch genießbar sind.

Jedes Jahr landen tonnenweise Lebensmittel im Müll, die eigentlich noch genießbar sind.

Foto: dpa/Marius Becker

Ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel landet ungenutzt in der Tonne. Weil die Ware beim Transport beschädigt wird, in Supermärkten zu lange in den Lagern liegt oder im eigenen Kühlschrank vergammelt. Insgesamt geht es dabei um 1,3 Milliarden Tonnen im Jahr, in Deutschland beläuft sich die Zahl nach Angaben der Welthungerhilfe auf zwölf Millionen Tonnen – pro Kopf sind das jährlich 75 Kilogramm. Mehrere Start-ups und Initiativen haben sich deswegen zum Ziel gesetzt, den seit langem anhaltenden Trend hin zur Wegwerfgesellschaft zu stoppen und die Menschen für das Thema nachhaltige Ernährung zu sensibilisieren.

So will das 2015 gegründete Start-up „Too Good To Go“ der Verschwendung von Lebensmitteln mithilfe einer App einen Riegel vorschieben. Über die Anwendung können sich Gastronomiebetriebe wie Restaurants, Bäckereien, Supermärkte und Hotels sowie die Hersteller von Nahrungsmitteln mit Verbrauchern in ihrer Nähe vernetzen und ihnen übrig gebliebenes Essen, beziehungsweise B-Ware, zu stark vergünstigten Preisen zum Abholen anbieten. Wer bei einem der Angebote zuschlägt, kann aber nicht zwischen einzelnen Produkten wählen, sondern erhält bei der Abholung vor Ort eine sogenannte Überraschungstüte. Die meisten dieser Tüten kosten nicht mehr als fünf Euro. Bezahlt wird direkt über die App.

Um nicht nur überschüssige Lebensmittel in Betrieben vor dem Müll zu bewahren, sondern auch die Verschwendung von Essen in privaten Haushalten zu stoppen, hat „Too Good To Go“ 2019 die „Oft länger gut“-Kampagne gestartet. Mit einem gleichnamigen Label auf den Produkten will das Unternehmen Verbraucher darauf aufmerksam machen, dass viele Nahrungsmittel auch nach dem Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums noch genießbar sind. Aktuell beteiligen sich knapp 60 Lebensmittelhersteller an der Kampagne.

Auch die Plattform mundraub.org setzt sich gegen Lebensmittelverschwendung ein, legt den Fokus dabei aber nicht auf den Handel, sondern hat sich zum Ziel gesetzt, in der Gesellschaft ein Bewusstsein für Regionalität und Saisonalität zu schaffen. Die 2009 ins Leben gerufene Initiative will aufzeigen, wie viel reifes Obst im öffentlichen Raum an Bäumen und Sträuchern hängt – und in den meisten Fällen verkommt. Dazu stellt die Plattform Besuchern der Webseite eine Karte bereit, auf der alle bisherigen Fundorte von Früchten verzeichnet sind, die jeder pflücken darf. Zudem haben Nutzer die Möglichkeit, eigene Fundorte einzustellen und sich über die Plattform mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Neben dem Pflücken von Früchten will die Initiative Nutzer auch dazu bewegen, bereits bestehende Obstbäume zu pflegen und neue Bäume und Kräuter anzupflanzen. Dazu können sich engagierte „Mundräuber“ in Gruppen zusammenschließen und Aktionen erstellen wie beispielsweise „Obstbaumschnitt in Wuppertal“, bei denen jeder, der möchte, teilnehmen kann. Mundraub.org hat nach eigenen Angaben bereits weit über 90 000 Mitglieder und mehr als 60 000 eingetragene Fundorte.

Dass Lebensmittelverschwendung ein Thema ist, das dringend angegangen werden muss, hat auch die Bundesregierung verstanden. Mit der Informationskampagne „Zu gut für die Tonne!“ will das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft für mehr Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln werben. Verbrauchern erhalten auf einer dafür erstellten Webseite Tipps zur richtigen Lagerung von Nahrungsmitteln, zum Haltbarmachen und zur Resteverwertung; ein Blog liefert interessierten Lesern alle wichtigen Informationen zum Thema nachhaltige Ernährung. Außerdem haben Besucher der Seite Zugriff auf eine Rezeptdatenbank, die Inspiration zum Reste-Kochen liefert.

Im Rahmen der Kampagne wurde zudem die sogenannte Beste-Reste-App entwickelt, die ebenfalls eine große Auswahl an Rezepten bietet und für die unter anderem die Köche Sarah Wiener und Tim Mälzer sowie der Schauspieler Daniel Brühl als Kochpaten gewonnen werden konnten. „Zu gut für die Tonne!“ informiert und inspiriert aber nicht nur, sondern zeichnet Projekte, die bei der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung helfen, auch mit einem Preis aus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort