Neuer Online-Trend Probesitzen im digitalen Möbelhaus

Düsseldorf · Noch dominieren große Möbel-Paläste den Einrichtungshandel. Doch inzwischen werden Sessel, Schränke und Co. immer öfter im Internet gekauft. Diesem Trend kann sich auch der schwedische Marktführer nicht mehr entziehen.

 Nicht nur Bücher und Kleidung gehen über die digitale Ladenthecke, sondern auch immer mehr Sofas.

Nicht nur Bücher und Kleidung gehen über die digitale Ladenthecke, sondern auch immer mehr Sofas.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Die Deutschen kaufen im Internet nicht nur Bekleidung, Bücher und Elektronik, sondern auch immer mehr Möbel. Dem muss jetzt auch Deutschlands größter Möbelhändler Ikea Rechnung tragen. Der schwedische Konzern will keine zusätzlichen blauen Riesengeschäfte mehr bauen, stattdessen verstärkt er seine Online-Angebote und plant kleinere Geschäfte nahe der Innenstadt. „Die Zeit der großen Möbel-Paläste am Stadtrand ist vorbei“, sagt Ikea-Deutschland-Chef Dennis Balslev. Die Zahl der Online-Bestellungen wachse schnell. Deshalb werde Ikea seine Online-Präsenz deutlich ausbauen: „Das ist die Zukunft, da haben wir keinen Zweifel“, sagt Balslev.

Tatsächlich steht laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts TNS im Auftrag des Handelsriesen Otto jeder zweite Deutsche dem Möbelkauf im Netz offen gegenüber. Jeder Dritte hat schon einmal ein Einrichtungsstück im Internet gekauft. „Der Möbelhandel ist beim Thema E-Commerce (Elektronischer Handel) schon viel weiter, als den meisten bewusst ist. Der Online-Anteil an den Umsätzen liegt heute schon bei zehn Prozent – und dabei geht es nicht um Accessoires, sondern um echte Möbel“, betont der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Punkten könne das Internet vor allem, weil die Suche nach dem besten Preis einfacher sei als in den klassischen Möbelgeschäften.

Und dabei geht es um viel Geld. Laut der kürzlich von der Unternehmensberatung KPMG und dem Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) herausgegebenen Studie „Auf Zukunft eingerichtet“ geben die Deutschen jährlich mehr als 40 Milliarden Euro für die Gestaltung der eigenen vier Wände aus.

Aber auch als Inspirationsquelle verlieren die Möbelpaläste gerade bei jungen Leuten an Bedeutung. Während sich von den 50- bis 59-jährigen Verbrauchern noch 59 Prozent beim Bummel durch ein Möbelhaus inspirieren lassen, sind es bei den unter 30-Jährigen nur noch 46 Prozent, wie kürzlich die Studie „Wohnen und Leben 2018“ ergab. Stattdessen dienen die Wohnungen von Freunden, Online-Blogs oder Reiseerlebnisse als Inspirationsquelle.

Vorreiter beim Online-Handel mit Möbeln ist in Deutschland der Versandhändler Otto. „Sein Marktanteil liegt wohl um die 50 Prozent – mit steigender Tendenz“, sagt Heinemann. Doch auch Amazon hat es nach einem Ranking des Fachmagazins „Möbel Kultur“ inzwischen unter die Top Zehn der deutschen Möbelhändler geschafft.

Für den etablierten Möbelhandel ist das eine Herausforderung. Denn auch wenn viele Händler eigene Online-Shops haben, ihr Geschäftsmodell passt nicht unbedingt in die neue Zeit. „Bei den traditionellen Möbelhändlern müssen Kunden heute oft mit drei bis vier Monaten Lieferzeit rechnen. Das geht im Online-Handel nicht. Da bremst sich der Möbelhandel selbst aus“, erklärt Heinemann das Problem.

Den Verzicht auf den neuen Vertriebsweg kann sich kein Händler leisten. Denn die Geschäfte mit Sofas, Schränken, Tischen und Co. laufen im Moment eher schlecht, die Nachfrage stagniert. Der Möbelbedarf hierzulande sei nach vier wachstumsstarken Jahren offensichtlich vorerst gedeckt, sagt der Möbelexperte des Marktforschungsunternehmens IFH, Uwe Krüger.

Nur der Internethandel scheint immun gegen die Zurückhaltung der Kunden in Sachen Innenausstattung. Online gaben die Bundesbürger nach Angaben des E-Commerce-Branchenverbandes „bevh“ 2017 sogar über 20 Prozent mehr für Einrichtung aus als im Vorjahr.

Kein Wunder also, dass praktisch alle großen Möbelhändler inzwischen Online-Auftritte haben. Der unangefochtene Marktführer im deutschen Möbelhandel, Ikea, der nach Ansicht von Experten das Online-Geschäft lange „mit angezogener Handbremse“ betrieb, will jetzt im Internet richtig Gas geben. Der Umsatzanteil des Internethandels bei Ikea könne innerhalb weniger Jahre von derzeit sechs auf bis zu 30 Prozent steigen, prognostiziert Deutschland-Chef Balslev. Dazu will das Unternehmen nicht zuletzt den Lieferservice beschleunigen. Ziel sei eine „Lieferung am selben oder am Folgetag“, heißt es bei Ikea.

Doch nicht nur beim schwedischen Konzern tut sich etwas. Der Internet-Möbelhändler Home24 hat sich mit seinem Börsengang Geld für zusätzliche Wachstumsspielräume besorgt. Und auch etliche andere Onlinehändler wie Westwing oder Wayfair kämpfen um ein Stück vom Kuchen.

„Der Online-Handel mit Möbeln wird weiter massiv an Bedeutung gewinnen“, sagt Handelsexperte Heinemann. Wenn es erst einmal gelinge, die langen Lieferfristen abzuschaffen, werde „der Online-Anteil am Möbelhandel irgendwann genauso hoch sein wie heute schon bei Bekleidung“, sagt der Experte weiter.

(dpa)
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