Politiker gegen Pöbelei im Internet

Berlin · Sie werden beschimpft, beleidigt und bedroht: Politiker bekommen auf Facebook Hasskommentare. Darauf reagieren sie unterschiedlich. Die Pöbel-Mails zeigen den Niedergang der Umgangsformen im Netz.

 Hasskommentare gehören in sozialen Netzwerken zur Tagesordnung. Auch Politiker müssen sich immer öfter gegen die Hetze im Netz wehren. Dabei beschreiten manche kreative Wege. Foto: SZ-Archiv

Hasskommentare gehören in sozialen Netzwerken zur Tagesordnung. Auch Politiker müssen sich immer öfter gegen die Hetze im Netz wehren. Dabei beschreiten manche kreative Wege. Foto: SZ-Archiv

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Renate Künast setzte einfach mal auf Ironie. "Sie wollen mir einen Hass-Kommentar schicken? Sich mal so richtig auskotzen?", schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite. "Dann gebe ich Ihnen hier ein paar Hinweise, die Ihnen das Schreiben und mir das Lesen erleichtern." Zu verschiedenen Aspekten sammelte die Grünen-Bundestagsabgeordnete in ihrem "Hass-Tool" Tipps.

"Sparen Sie nicht an Ausrufezeichen", riet sie zum Beispiel augenzwinkernd. Auf das Niveau der Menschen, die ihr Pöbel-Mails senden, wolle sie sich nicht begeben. Künast ist eine Ausnahme: Kreativ und ironisch gehen bislang nur sehr wenige Politiker mit dem Hass im Netz um. "Immer mehr Menschen schreiben Hasskommentare", hat der Blogger Martin Fuchs beobachtet. "Hinzu kommt, dass auch immer mehr Hassbotschaften von Bots kommen, also von Computerprogrammen, die diese Botschaften automatisch posten." Im Fadenkreuz stehen vor allem Politiker, die sich für Flüchtlinge einsetzen. "Die meisten Hasskommentare kommen von rechten politischen Aktivisten", erläutert Caja Thimm, Medienwissenschaftlerin an der Universität Bonn. Hintergrund sei die "Pegida"-Bewegung, deren Anhänger sich über soziale Medien vernetzt hätten. Wenn ein Unterstützer Hass poste, könne er sich darauf verlassen, dass ihm andere aus der Szene beipflichten: "Menschen, die sich vielleicht noch sorgen, ob sie so einfach Hass-Texte posten können, bekommen dadurch Unterstützung." Weil es zudem kaum Gegenrede gebe, fallen schnell alle Hemmungen. "Der geballte Hass gegen Flüchtlinge ist eine neue Dimension der Hetze im Internet : Alle Dämme scheinen gebrochen", sagt Thimm.

Die betroffenen Politiker gehen damit ganz unterschiedlich um. Bei besonders schlimmen Fällen stellen einige Strafanzeige. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wies vergangenen September auf die Hetze hin, sie las Hasskommentare in einem Video vor. "Das ist Dreck. Der gehört in die Mülltonne", sagt sie in dem Film. Auch in dem Format "Disslike" auf YouTube haben mittlerweile einige Politiker heftige Botschaften vorgelesen und kommentiert.

Einen anderen Weg ging kürzlich CDU-Generalsekretär Peter Tauber: Er schimpfte zurück. "Sie sind ein Arschloch", schrieb er einem pöbelnden Nutzer Anfang Januar auf seiner Facebook-Seite, ergänzt mit einem Smiley. Damit stieß er auf große Resonanz. Tauber moderiere die Kommentare seit Jahren sehr sachlich, sagt Martin Fuchs. Die "Arschloch"-Antwort sei ein "Weckruf" gewesen. Prinzipiell sollten Politiker auf Dauer aber verbal abrüsten, sonst machten sie sich nur angreifbar.

"Es gibt kein Patentrezept, wie Politiker mit Hasskommentaren umgehen können", sagt Forscherin Caja Thimm. Martin Fuchs betont, es sei wichtig, klare Regeln für die Debatte auf der jeweiligen Webseite zu formulieren. Außerdem sei es unerlässlich, die Online-Kommentare zu moderieren.

Ein anderes Mittel kann die Gegenrede sein. Wenn jemand Hass-Texte veröffentlicht, müsse ihm auch deutlich widersprochen werden. Die sozialen Netzwerke selbst stärken diesen Weg. Facebook kündigte kürzlich die Gründung einer "Initiative für Zivilcourage Online" mit Sitz in Berlin an.

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