Perfekt verkauft sich schlecht

Saarbrücken · Der Herdentrieb erklärt das Kaufverhalten im Netz am besten: Je häufiger Kunden einen Artikel bewerten, desto mehr legen ihn später in den Warenkorb. Vor allem der Mix der Kundenmeinungen entscheidet, was zum Kassenschlager wird.

Die Kritiken schwanken zwischen verheerend und euphorisch. Während die einen die geringe Haltbarkeit des Handrührgeräts kritisieren ("Kaputt nach nur zwei Jahren"), loben die anderen den leisen Motor und das reichhaltige Zubehör. Insgesamt bewerteten 910 Nutzer des Onlinekaufhauses Amazon das Küchengerät, davon vergaben 644 die Bestnote von fünf Sternen, 31 die schlechteste Note (ein Stern). Im Schnitt bekam der Elektro-Mixer 4,5 Sterne.

Aus Sicht des Herstellers ist diese Verteilung ideal. "Produkte mit einer Bewertung von 4,5 Sternen verkaufen sich bis zu dreimal besser als solche mit fünf Sternen", erklärt Benjamin Biro von der Beratungsagentur BIG Social Media. Peter Gentsch, Professor für Internationale Betriebswirtschaftslehre an der HTW Aalen und Gründer der Agentur, ergänzt: "68 Prozent der Konsumenten glauben einer Bewertung eher, wenn sie neben Positivem auch etwas Negatives über das Produkt lesen."

Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Studie über die Wirkung von Online-Produktbewertungen auf das Kaufverhalten von Nutzern. Ob bei Amazon oder speziellen Bewertungsportalen wie ciao.de: "Online-Bewertungen von Produkten und Dienstleistungen spielen bei Einkäufen im Internet eine immer größere Rolle", sagt Gentsch, Herausgeber der Studie. 72 Prozent aller Konsumenten vertrauen demnach vor dem Kauf eines Elektrogerätes auf die Meinung anderer Internetnutzer. 40 Prozent der Befragten gaben sogar an, sich direkt vor Ort in einem Ladengeschäft auf dem Smartphone anhand von Kundenrezensionen über das gewünschte Produkt zu informieren.

Wie zudem eine Umfrage des IT-Branchenverbandes Bitkom aus dem vergangen Jahr zeigt, hat bereits jeder zweite Internetnutzer in Deutschland selbst eine Kurzkritik zu einem Produkt verfasst.

Für die Hersteller sind die Bewertungen Gold wert: "Ohne groß Marktforschung betreiben zu müssen, erfahren sie, wie die Kunden ihr Unternehmen und ihre Produkte wahrnehmen", so Gentsch. Hinzu kommt: Produkte, die positiv bewertet wurden, verkaufen sich dreimal so gut wie Produkte, die gar keine Noten bekamen. Durch den Einfluss der Bewertungen auf die Verkaufszahlen wächst auch die Macht des Verbrauchers. Die Bewertungen seien damit, so Gentsch, ein effektives Mittel für den Konsumenten, Kontrolle über die Hersteller auszuüben. Doch der große Einfluss der Kritiken birgt auch Potential für Missbrauch. Benjamin Biro sieht Anreize zur Manipulation seitens der Hersteller, "die eigenen Produkte zu loben und die Konkurrenzprodukte systematisch negativ zu bewerten". Den Anteil von gefälschten Bewertungen schätzen die Experten auf 20 bis 25 Prozent - denselben Wert gibt der Verbraucherzentrale Bundesverband an. Dass die Zahl der sogenannten Fake-Rezensionen dennoch zurückgeht , liegt laut Gentsch an den immer besser funktionierenden Schutzmechanismen. So dürfen auf vielen Portalen nur noch Kunden bewerten, die den Artikel gekauft haben.

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