Noch keine Scheidung per Internet

Saarbrücken · Den Gang zum Scheidungsanwalt können sich Eheleute dank des Internets sparen. Im Netz buhlen zahlreiche Portale um Mandanten, doch eine „Online-Scheidung“ im rechtlichen Sinn gibt es in Deutschland nicht.

 Wer sich den Gang zum Scheidungsanwalt sparen will, kann sich Internet beraten lassen – günstiger ist das allerdings nicht. Foto: SZ-Archiv Andrey Popov

Wer sich den Gang zum Scheidungsanwalt sparen will, kann sich Internet beraten lassen – günstiger ist das allerdings nicht. Foto: SZ-Archiv Andrey Popov

Foto: SZ-Archiv Andrey Popov

166 199 Ehen sind 2014 laut statistischem Bundesamt vor deutschen Gerichten geschieden worden, 385 952 Paare gaben sich das Ja-Wort. Das offizielle Ende einer Ehe ist zwar nicht so teuer wie eine Hochzeit, kann sich aber auf über 1 000 Euro und mehr belaufen. Den Antrag bei Gericht muss ein Anwalt stellen, und viele Juristen werben für ihre Dienste in Scheidungsverfahren im Internet . Auf Online-Scheidungsportalen finden sich lange Listen von Fachanwälten, Informationen, Formulare, Kostenrechner, manche bieten gar die komplette juristische Begleitung des Scheidungsverfahrens per Internet an, ohne dass ein Besuch beim Anwalt nötig wäre.

Zu den Internetseiten, die eine Rundum-Betreuung bei Scheidung anbieten, gehört scheidung-online.de. Über ein Online-Formular können Scheidungswillige den Auftrag für den Scheidungsantrag abschicken und entweder um Rückmeldung bitten oder direkt eine Vollmacht erteilen, wie auf der Seite zu lesen ist. Die Betreiber reichen dann den Scheidungsantrag beim Familiengericht ein, das gegebenenfalls den Noch-Ehepartner informiert. Bis zum Scheidungstermin kann so alles online erledigt werden. Was genau diese Dienstleistung kostet, lässt sich pauschal nicht sagen, doch das Portal bietet auch Kostenvoranschläge . "Wir kalkulieren für Sie den niedrigsten rechtlich zulässigen Preis", heißt es dort. Auf scheidungsportal24.de findet sich ein ähnliches Portfolio samt der Garantie, die Reduzierung des Verfahrenswertes zu beantragen, worüber dann das Gericht entscheidet.

Aller Internet-Werbung zum Trotz: Rechtlich gesehen gibt es keine "Online-Scheidung", denn über das Ende einer Ehe entscheiden Richterinnen und Richter am Amtsgericht in mündlicher Verhandlung, nicht etwa per E-Mail oder Online-Formular.

Was macht dann den Unterschied zwischen Terminen in einer Kanzlei und einer rechtlichen Begleitung einer Scheidung via Internet aus? "Die Scheidung über ein Online-Portal hat im Grunde überhaupt keinen Vorteil, auch finanziell nicht", sagt Eva Becker, Fachanwältin für Familienrecht und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Auch bei der Betreuung von Mandanten über eine Kanzlei vor Ort werde inzwischen vieles per E-Mail geklärt, so die Anwältin. Wie teuer die Scheidung wird, hängt unter anderem von dem Netto-Einkommen der Eheleute, dem Versorgungsausgleich und möglichen Unterhaltsfragen ab. Wer gut verdiene, der müsse in einem Scheidungsverfahren mit höheren Kosten rechnen als Eheleute, die ein geringes Einkommen haben, erklärt Becker. Die Berechnung ist recht kompliziert, ein Durchschnittswert lasse sich nicht beziffern, heißt es aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Dass die Online-Vertretung besonders günstig sei, bestreitet auch das Ministerium: "Eine Kostenersparnis kann sich allenfalls daraus ergeben, dass persönliche Anwaltsbesuche weitgehend überflüssig werden."

Jedoch können Ehepartner auf anderem Weg die Kosten des Verfahrens möglichst gering halten, wie Dr. Monika Hartges, Leiterin der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle Hamburg (ÖRA) erläutert: "Je mehr man sich streitet und je reicher man ist, desto teurer wird es", so Hartges, deren Behörde Bürger pro Jahr in mehr als 30 000 Fällen berät, auch zum Thema Scheidung . Unterdessen schreitet die Digitalisierung auch in der Justiz voran. Um Verfahren zu beschleunigen und die Rechtspflege effektiver zu gestalten, stellen Gerichte allmählich auf elektronischen Rechtsverkehr um. Wird es also bald "Online-Scheidungen" im wörtlichen Sinn geben? "Eine Planung, Scheidungsverfahren in Zukunft komplett online, also per elektronischem Rechtsverkehr, zu ermöglichen, gibt es nicht", informiert das BMJV. Der Termin vor Gericht wird scheidungswilligen Ehepaaren in absehbarer Zeit also nicht erspart bleiben.

bmjv.de

brak.de

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