Netzgemeinde trifft sich in Berlin
Berlin · Die Berliner Internetkonferenz Re:publica ist ein Stimmungsmesser der Netzszene. Die familiäre Atmosphäre der letzten Jahre macht inzwischen einem überbordenden Angebot an Themen und Ideen Platz.
Morgen ist es wieder soweit: Die Netzkonferenz Re:publica versammelt all jene Menschen in Berlin , die sich im Internet zu Hause fühlen. Sie berichten von Koch-Blogs und politischen Aktionen auf Youtube, diskutieren über Technik, Kultur und Politik.
Was 2007 als Klassentreffen von Bloggern begann, hat sich inzwischen zu einem großen Event entwickelt. Mehr als 6000 Teilnehmer werden erwartet. Hunderte Veranstaltungen drängen sich in drei Tagen Programm. Und mit 600 Sprechern gibt es einen neuen Rekord. Das Motto lautet diesmal "Finding Europe" (Europa finden).
Die Konferenz wird von Branchenriesen finanziert, zu den Sponsoren gehören Microsoft und IBM . Die dürfen im Gegenzug für ihre Angebote werben. So präsentiert der IBM-Blogger Stefan Pfeiffer ein neues Programm für E-Mail und Nachrichten namens IBM Verse.
Ethan Zuckerman vom Media Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigt mit dem Blogger-Netzwerk globalvoices.org einen möglichen Weg in neue Medienwelten auf. Neue Geschäftsmodelle verfolgen auch der Unternehmer Reed Hastings mit der Video-Plattform Netflix und der Amsterdamer Wissenschaftler Balázs Bodó mit dem Projekt einer "Kultur-Flatrate" zur Finanzierung von Medien im Netz. Sie werden ebenfalls auf der Re:publica erwartet.
So interessant sich die Liste der Redner auf der Re:publica lesen mag - ebenso aussagekräftig sind diejenigen, die fehlen. Das ist allen voran Autor Sascha Lobo, der sich in den vergangenen Jahren stets mit viel beachteten Appellen an die "sogenannte Netzgemeinde" wandte. "Ich hatte das Gefühl, es könnte sinnvoll sein, mal eine Pause zu machen", sagte Lobo in einem Gespräch mit dem Magazin "Wired". Der Unternehmer kritisiert seit langem, dass die Szene ihre Überzeugungen nicht in politischen Einfluss umzusetzen vermag. Auch der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft Günther Oettinger und Bundespräsident Joachim Gauck möchten nicht auf der Internetkonferenz sprechen.
Der Siegener Medienwissenschaftler Sebastian Gießmann ist dennoch von der Re:publica überzeugt. Er sieht die Konferenz nicht als Ort für unmittelbare politische Veränderungen, sondern eher als Frühwarnsystem und Ideenmaschine.