Ein grenzenloser Markt? Im Dschungel des Video-Streamings

Berlin · Mit Disney+ startet schon wieder ein neuer Anbieter. Die Branche sieht immer noch Wachstumspotenzial.

 Jeder zweite Deutsche ist bereits Kunde eines Streamingdienstes. Fachleute sind sich jedoch sicher, dass der Markt noch nicht ausgeschöpft ist.

Jeder zweite Deutsche ist bereits Kunde eines Streamingdienstes. Fachleute sind sich jedoch sicher, dass der Markt noch nicht ausgeschöpft ist.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

() Eigentlich sollte der kostenpflichtige Streamingdienst Disney+ in Deutschland erst Ende März starten. Doch der Walt Disney-Konzern zieht den Beginn um eine Woche auf den 24. März vor. Dass es der Anbieter ernst meint, zeigt sich auch mit einem Frühbucherangebot noch vor dem Start. Es geht um viel in der Branche.

Streaming, das Abrufen von TV- und Videoinhalten von Internet-Plattformen, ist weltweit sehr beliebt. Man spricht auch von Video on Demand (VoD). Mit einer Vielfalt aus Serien und Filmen, die teilweise exklusiv angeboten werden, locken die Anbieter Kunden.

Die Arbeitsgemeinschaft Videoforschung zeichnet diese Entwicklung nach: Während im ersten Halbjahr 2015 noch sieben Prozent angaben, ein kostenpflichtiges VoD-Angebot zu nutzen, waren es im zweiten Halbjahr 2019 bereits 32 Prozent.

Disney+ startete in den USA, Kanada und den Niederlanden schon im November (wir berichteten) und gewann dort bis Jahresende 26,5 Millionen Abonnenten, deutlich mehr als erwartet. Der Markt ist allerdings sehr hart umkämpft. US-Konzerne wie Netflix und Amazon sind seit Jahren da, im vergangenen November kam AppleTV+ hinzu.

Auch private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender, wie RTL, ProSiebenSat.1, die ARD-Programme und das ZDF, mischen beim Streaming mit Mediatheken mit. Dazu kommen Bezahlsender wie Sky und Video-Anbieter, die Nischen bedienen. Es gibt Plattformen wie zum Beispiel Magenta-TV der Telekom, die verschiedene Angebote bündeln.

Die Geschäftsmodelle im Streamingmarkt sind ganz unterschiedlich: Die einen setzen auf die Finanzierung durch Werbung und zugleich kostenlos für den Nutzer, andere zielen auf Abos oder Mischformen.

Der Markt ist offenbar längst nicht ausgeschöpft. Laut dem Beratungsunternehmen McKinsey wuchs der kostenpflichtige Streaming-Markt zwischen 2012 und 2018 von 100 Millionen Euro Umsatz auf 1,3 Milliarden Euro. Im Durchschnitt gab ein Haushalt 2018 jährlich 112 Euro für Home-Video-Inhalte aus. Unter dem Sammelbegriff versteht McKinsey neben Video on Demand auch Pay-TV und Leihvideos. Im Jahre 2000 seien es noch 37 Euro gewesen. Die Einschätzung fußt auf einer Analyse sowie auf einer Online-Umfrage der Marktforscher von Yougov im November.

Im Markteintritt von AppleTV+ und Disney+ sieht der Medienforscher Thomas Schumacher von McKinsey, Wachstumschancen. In Summe werde heute mehr Bewegtbild geschaut. Es gebe noch Lücken, um weitere Kundenkreise zu erschließen.

Der Verband Vaunet, Vertreter der privaten audiovisuellen Medien in Deutschland, sieht das ähnlich. „Wir glauben, dass sich der Markt positiv entwickelt“, sagt Frank Giersberg, Mitglied der Vaunet-Geschäftsleitung. „Mehr Anbieter als früher investieren in die Programme.“ Der Verband rechnet für 2019 mit steigenden Gesamt-Werbeerlösen im TV- und Streamingbereich auf rund 5,2 Milliarden Euro (2018: 5,1 Milliarden Euro)- wobei der TV-Bereich zurückgeht, dafür aber der Streaming-Bereich umso stärker wachsen dürfte.

Bei den beliebtesten Bezahlangeboten sieht McKinsey Netflix und Amazon Prime vorne. Die beiden US-Giganten machen demnach den Großteil des hiesigen Abo-Marktes aus. Der Beratungsgruppe Goldmedia zufolge werden künftig exklusive Inhalte wichtiger. Das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK geht davon aus, dass Konsumenten grundsätzlich bereit seien, rund 23 Euro im Monat für Streamingdienste aus dem Bereich Film und Serien auszugeben. Das gehe aus Studien aus dem vierten Quartal 2019 hervor.

Kritisch sieht die Situation der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Thomas Bellut. Disney+ werde den Druck auf andere Anbieter erhöhen, prognostiziert er. Zudem rechnet Bellut mit einem Kannibalisierungseffekt. Der Streamingmarkt ließe sich nicht grenzenlos erweitern.

(dpa)
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