Nacktfotos mit ungewissen Folgen

Hannover · 13 Prozent der Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren, die bereits erotische Fotos über ihr Handy verschickt haben, taten das nur, weil sie unter Druck gesetzt wurden. Sind die Bilder einmal versendet, kann der Empfänger damit jede Menge Unheil anrichten. Werden die Aufnahmen im Internet verbreitet, kann das bei den Betroffenen zu verheerenden Konsequenzen führen.

 Eine intime Aufnahme ist übers Mobiltelefon schnell verschickt. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass sie auf diese Weise die Kontrolle über die Bilder verlieren.

Eine intime Aufnahme ist übers Mobiltelefon schnell verschickt. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass sie auf diese Weise die Kontrolle über die Bilder verlieren.

Foto: Stratenschulte/dpa

Der Austausch erotischer Fotos übers Handy gilt für viele Jugendliche als Liebesbeweis. Wer intime Bilder in der digitalen Welt verschickt, verliert jedoch die Kontrolle über die Aufnahmen. Die Verbreitung der Fotos gegen den eigenen Willen kann für die Betroffenen zum Alptraum werden.

Kürzlich fand die Tagung "Sexting - kein Problem?" statt, die von der Landesstelle Jugendschutz in Hannover präsentiert wurde. Dort ging es um erotische Fotos von Jugendlichen, auf denen sie sich selbst leicht bekleidet oder nackt abgelichtet haben, um sie über Facebook oder Whatsapp zu verschicken. Das sogenannte Sexting gilt als Liebesbeweis für den Partner oder ist Teil eines Flirts. Wenn die Aufnahmen vom Empfänger an Dritte online weitergeleitet werden, etwa aus Rache nach einer Trennung, kann die beabsichtigte Wirkung der Bilder in ihr Gegenteil umschlagen.

Bekannt wurde der Fall der zwölfjährigen Kanadierin Amanda Todd, die sich von einer Internet-Bekanntschaft dazu überreden ließ, ihm ein Foto ihrer Brüste zu schicken. Danach verlangte er von ihr Bilder ganz ohne Kleidung, ansonsten werde er das Foto mit Amandas Namen im Internet veröffentlichen. Das Mädchen ging darauf nicht ein, der Erpresser machte seine Drohung wahr. Amanda wurde wegen der Aufnahme von ihrem Umfeld geschnitten und beleidigt, wechselte zweimal die Schule - und nahm sich mit 15 Jahren das Leben.

Viele Aufklärungskampagnen wenden sich vor allem an Mädchen und warnen sie davor, leichtfertig Internet-Nachrichten mit sexualisiertem Inhalt zu versenden. Doch ist das der richtige Weg? In Hannover diskutierten Fachleute über diese Frage und ließen sich von Wissenschaftlern über aktuelle Studien informieren. Die jüngste Untersuchung stammt aus dem Jahr 2014 vom Institut für Jugendkulturforschung aus Österreich. Danach verschicken Jungen fast genauso häufig intime Fotos von sich wie Mädchen . 16 Prozent der Befragten 14- bis 18-Jährigen gaben an, selbst Nacktaufnahmen produziert zu haben. Nur wenige von ihnen haben damit negative Erfahrungen gemacht. Drei Prozent der Mädchen und 23 Prozent der Jungen sagen, Sexting gehört zum Flirten dazu. "Es ist eine problematische Strategie, sich bei den Präventionsmaßnahmen auf Mädchen zu konzentrieren und sie indirekt für den Missbrauch der Bilder verantwortlich zu machen", sagt Christian Helbig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der TH Köln.

Wie Helbig fordern auch andere Experten, statt Warnungen und Verbote den verantwortungsvollen Umgang mit Sexting in den Vordergrund zu stellen.

Die Diplom-Pädagogin Verena Vogelsang von der Katholischen Hochschule Münster setzt sich für mehr sexualbezogene Medienkompetenz ein. Dazu gehöre, Jugendliche zu unterstützen, nichts gegen ihren Willen zu tun. In der Befragung unter 254 Jugendlichen erklärten 13 Prozent der Mädchen und sechs Prozent der Jungen mit Sexting-Erfahrung, dass sie Bilder von sich nur verschickt haben, weil sie unter Druck gesetzt wurden. Dazu gehöre, junge Leute darüber zu informieren, auf welchen Wegen sie vertrauliche Nachrichten im Internet verschicken sollten und auf welchen nicht. Deshalb sei es wichtig, auch über die rechtliche Situation zu sprechen. Danach macht sich jeder strafbar, der Fotos oder Videos von einer Person weiterleitet, ohne sie vorher um ihr Einverständnis gebeten zu haben. "Es muss viel mehr über die Täter und ihre Unterstützer gesprochen werden, die Fotos weiterleiten. Heute ist es leider so, dass die Mehrheit der Person die Schuld gibt, die ein Foto von sich an einen geliebten Menschen verschickt hat und deren Vertrauen missbraucht wurde", sagt Vogelsang.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat zusammen mit Pro Familia sieben Regeln für sicheres Sexting erarbeitet. Danach soll sich niemand auf einem Bild völlig nackt zeigen und solch ein Foto nur verschicken, wenn man auch eins vom Partner bekommt. Wenn alles schiefgelaufen ist, dann bleibt einem noch die Strafanzeige, um die weitere Verbreitung zu verhindern. Rechtsanwalt Martin Drechsler, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter aus Berlin: "Der Netzwerkbetreiber muss rechtswidrige Fotos entfernen, wenn er davon Kenntnis erlangt hat."

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