Youtuber erklärt die Welt Eine Geschichtsstunde muss nicht dröge sein

Mainz · Der Historiker Mirko Drotschmann begeistert nicht nur Schüler als „MrWissen2go“ mit seinen Videos im Internet.

 Auf seinen Youtube Kanälen erklärt Mirko Drotschmann als MrWissen2go nicht nur historische Ereignisse. Er beantwortet auch Fragen aus den Bereichen Politik und Gesellschaft. Viele Themenvorschläge erhält Drotschmann von seinen Zuschauern.

Auf seinen Youtube Kanälen erklärt Mirko Drotschmann als MrWissen2go nicht nur historische Ereignisse. Er beantwortet auch Fragen aus den Bereichen Politik und Gesellschaft. Viele Themenvorschläge erhält Drotschmann von seinen Zuschauern.

Foto: Stefan Daub/funk

„3, 3, 3 - bei Issos Keilerei“ – oder: „4, 7, 6: Rom war ex“. Wer mit Geschichte auf Kriegsfuß steht, dem können solche Eselsbrücken helfen, sich an bestimmte Jahreszahlen zu erinnern. Leichter ist es für Schüler, ein solches Fach zu meistern, wenn es sie interessiert und ihnen Spaß macht. „Geschichte ist viel mehr, als Jahreszahlen auswendig zu lernen“, sagt der 33-jährige studierte Historiker und Journalist Mirko Drotschmann aus Mainz. Um seine Begeisterung mit anderen zu teilen und Wissen zu vermitteln, gründete er 2012 den Youtube-Kanal „MrWissen2go“. Mittlerweile hat er mehr als 600 Filme ins Netz gestellt und verzeichnet knapp 1,1 Millionen Abonnenten. Aus dem einstigen Geschichtsnachhilfe-Kanal ist längst ein Angebot geworden, in dem er sich jede Woche mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen beschäftigt. Die jüngsten Beiträge reichen etwa vom „Digitalpakt“ über „Wer wählt die AfD?“ bis zum „Geschäft mit Kinder-Influencern“ oder der „Türkei-Offensive in Syrien“.

Als er mit Youtube anfing, wollte Drotschmann etwas machen, was zu ihm passte. „Da ich Geschichte toll fand, und es im Bereich Wissensvermittlung so etwas im deutschsprachigen Raum nicht gab, wollte ich ganz klassisch den Schülern in meinen Filmen Nachhilfe geben.“ Ziemlich schnell kamen viele Fragen zu aktuellen Themen. Drotschmann richtete sich fortan nach den Wünschen der Zuschauer, und mit den Inhalten wandelte sich auch das Alter seiner Nutzer.

Der „Internet-Erklärbär“ schätzt, dass es sich bei zwei Dritteln um Schüler und beim Rest um ältere Zuschauer handelt. Der Bereich Geschichte hat einen besonderen Stellenwert behalten: Seit 2017 moderiert er zusätzlich einmal in der Woche den Youtube-Kanal „MrWissen2go Geschichte“. Auch hier ist sein Abonnentenkreis inzwischen schon auf mehr als 300 000 angewachsen. Aber es seien nicht die Klickzahlen, die ihm bestätigen, dass er auf dem richtigen Weg ist, sondern es seien vor allem die Kommentare der Zuschauer. „Am meisten freut mich immer, wenn mir Leute so etwas schreiben wie: ‚Früher fand ich Geschichte langweilig, heute studiere ich sie, weil ich deine Videos so spannend fand‘“, sagt er. Oder Zuschauer berichteten, dass sie, angeregt durch die Beiträge, jetzt politisch aktiv seien. „Einfach toll, dass Videos zu solch einem Engagement führen“, meint der 33-Jährige.

Die Frage, was er anders, sprich besser, als ein Lehrer macht, wird ihm oft gestellt. „Ich habe den Vorteil, dass ich keine Fragen live beantworten und Schüler nicht 45 Minuten bei Laune halten muss. Und dass ich keine Klausuren stellen und keine Noten geben muss“, sagt er. Ein großer Vorteil sei zudem, dass seine Videos nur die Länge von zwölf Minuten hätten. „Die kann man einfach wegklicken, wenn sie einem nicht gefallen, oder zurückspulen.“

Selbst scheinbar dröge Themen arbeitet er interessant mit Bildern, Grafiken und kleinen Einspielern auf, bringt Fakten auf den Punkt, ohne dabei belehrend zu wirken und locker, ohne oberflächlich zu sein. „Ganz wichtig ist, dass man auch Leidenschaft hat und Begeisterung mitbringt“, beschreibt er als sein Erfolgsgeheimnis. Nur so könne man die Themen ansteckend rüberbringen und etwas erreichen.

Bei seinem Publikum kommt genau diese Art an. „Bemerkenswert an deinen Videos ist, dass kaum/keine Sätze verschwendet sind. So gut wie kein Wort ist Füllmaterial. Bei vielen anderen lehrreichen Videos auf Youtube wird geschwafelt und gestopft. Die Skripte auf diesem Kanal sind aber so kurz und prägnant gehalten, dass man keinesfalls mal zehn Sekunden überspringen darf. Großes Lob an den/die Skriptschreiber!“ kommentiert etwa ein Zuschauer über Drotschmanns Film „Gottloses Deutschland: Warum die Kirchen ein Problem haben.“ Sämtliche Skripte für „MrWissen2go“ stammen von dem 33-Jährigen selbst. Er recherchiert, schreibt die Texte, macht die Drehs. Für die investigative Reportage-Rubrik „MrWissen2go exklusiv“ gibt es eine Redakteurin, in seinem Geschichts-Kanal zusätzlich einen Autor, der unterstützend an seiner Seite ist. Während sich die Themen hier stark an den Lehrplänen in Deutschland orientieren, stammen die Ideen für „MrWissen2go“ bis zu 80 Prozent von den Zuschauern selbst. „Das Wichtigste ist, dass das, was ich mache, den Leuten gefällt und sie interessiert“, meint er. Das intensive Lesen der hundert bis tausend Kommentare zu einem Beitrag und der Austausch mit den Zuschauern seien daher absolut notwendig. Anders als befürchtet, zählen Pädagogen selten zu den Kritikern. „Meine große Sorge am Anfang war, dass ich Hassmails von Lehrern bekomme“, gibt er zu. Immerhin habe er ja kein Lehramt studiert. Doch wenn ihm Lehrer schrieben, seien es immer sehr nette Mails: „Dann laden sie mich an die Schule ein oder fragen, ob sie meine Videos im Unterricht verwenden dürfen.“

Die Freude über den direkten Kontakt mit den Zuschauern und die schnelle Rückmeldung wird nur selten getrübt: Dann, wenn von „Staatsfunk“ die Rede sei, weil sein Kanal ein Teil des Online-Medienangebots „funk“ von ARD und ZDF ist. Oder wenn ihm vorgeworfen werde, er handle im Regierungsauftrag oder er wolle die Menschen im Sinne der Regierung manipulieren. „Das ärgert mich total, wenn so etwas konstruiert wird, weil es einfach nicht stimmt“, sagt er.

Unterm Strich überwiegt die große Freude über all die positive Resonanz und die rasant wachsenden Nutzer-Zahlen. So, wie es Zuschauer „L0rdHelge“ kürzlich kommentierte: „Ich verfolge deinen Kanal nun ungefähr seit fünf bis sechs Jahren und muss wirklich sagen, es gibt wenig Youtuber, die ihre eine Million Abos so sehr verdient haben. Die Qualität deiner Videos ist mittlerweile wirklich spitze. Weiter so!“ Dabei ist die Zahl von einer Million Abonnenten nur die Grundlage: Einzelne Filme werden von mehreren Millionen Zuschauern angesehen. Das Video „Was wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte?“ aus dem vergangenen Jahr etwa wurde knapp fünf Millionen Mal aufgerufen. Für seinen Beitrag über die Band „Rammstein“ und ihr Musikvideo zur Single „Deutschland“ gab es allein in einer Woche über eine Million Klicks. Auf der anderen Seite zählen laut Drotschmann zu Filmen, die oft angeschaut werden, jedoch auch „Schulklassiker“ wie sein Beitrag zur Weimarer Republik.

Übrigens: Im August 2018 widmete sich „MrWissen2go“ auch Alexander dem Großen. Die Eselsbrücke „3,3,3“ allerdings tauchte in dem Video nicht auf – und wurde auch nicht vermisst. Eher machte der Beitrag den Zuschauern offenbar Lust, noch mehr zu erfahren. „Könntest du bitte ein ‚Was wäre wenn Alexander nicht so jung gestorben wäre machen‘?“, kommentierte ein Zuschauer.

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