Mobbing auf dem virtuellen Schulhof

Berlin · Viele Jugendliche werden im Internet schikaniert. Im Netz sind die Täter oft besonders rücksichtslos. Und Gemeinheiten verbreiten sich schnell. Doch es gibt Möglichkeiten, sich gegen sogenanntes Cybermobbing zu wehren.

 Gemeine Bilder, Gerüchte oder Verleumdungen im Internet können Jugendlichen schweren Schaden zufügen. Foto: klicksafe/Maribelle Photography/dpa

Gemeine Bilder, Gerüchte oder Verleumdungen im Internet können Jugendlichen schweren Schaden zufügen. Foto: klicksafe/Maribelle Photography/dpa

Foto: klicksafe/Maribelle Photography/dpa

Neun Prozent aller weiblichen Jugendlichen und sieben Prozent aller Jungs sind in Deutschland schon Opfer von Cybermobbing geworden. Das geht aus der JIM-Studie 2016 (Jugend, Information, (Multi-)Media) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest hervor. Cybermobbing kann in vielen verschiedenen Formen auftreten: das können fiese Bilder auf Snapchat sein, gemeine Kommentare auf Instagram, gefälschte Profile auf Facebook oder demütigende Videos in Whatsapp.

Gefährlich ist diese Art des Mobbings vor allem wegen der vervielfachenden Wirkung des Netzes und weil es so schwierig ist, die Inhalte zu löschen, erklärt Uwe Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing. Gemeine Inhalte verbreiteten sich rasant und könnten jederzeit und überall gespeichert, verändert und weitergeleitet werden. Ein weiteres Problem sei, dass die Anonymität zu einer niedrigen Hemmschwelle führe. Auch seien sich viele Täter der Folgen ihres Handelns nicht bewusst, da sie diese nicht direkt mitbekämen. "Die Tränen sind nicht sichtbar. Dadurch fehlt der psychologische Reflex aufzuhören, wenn das Opfer am Boden liegt", sagt Leest.

Wenn ihr Kind zum Opfer von Cybermobbing wird, sollten Eltern nicht vorschnell handeln, rät die Initiative "Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht". Bevor sie konkrete Schritte unternähmen und zum Beispiel mit Lehrern oder Eltern sprächen, sollten sie das Kind einbeziehen und gemeinsam über Lösungen sprechen. Anderenfalls fühle sich das Kind überfahren oder sogar bloßgestellt. Denn wer im Netz gemobbt und gedemütigt werde, schäme sich oft dafür.

Problematisch sei, dass Jugendliche soziale Medien als Bühne zur Selbstdarstellung nutzten, um sich ihrer positiven Wirkung zu versichern, sagt Professor Joachim Bauer, Neurobiologe und Psychotherapeut von der Uniklinik Freiburg. "Wenn diese dann zur Plattform der Diffamierung wird, bricht in den Leuten etwas zusammen." Eltern sollten deshalb mit ihren Kindern die Chancen und Risiken solcher Portale besprechen, rät Bauer. Er empfiehlt, im Netz nicht allzu viel von sich preiszugeben. Auf jeden Fall sollten Eltern Belege sammeln, indem sie Screenshots anfertigen und für den Fall, dass der Angreifer unklar ist, dessen Nutzernamen notieren. Löschen die Täter die Inhalte nicht freiwillig, könnten Eltern dies vom Betreiber der Webseite, über die gemobbt wird, einfordern. Die Kontaktdaten fänden sie im Hilfebereich oder Impressum. Bei schweren Verstößen könnten Eltern rechtliche Schritte einleiten und Anzeige bei der Polizei erstatten.

Wenn ihr Kind selbst mobbt, sollten Eltern versuchen, die Gründe zu ermitteln. Ursachen könnten sein, dass das Kind unzufrieden ist, Anerkennung sucht oder sich wehrt, da es selbst gemobbt wurde. Wichtig sei, dem Kind deutlich zu machen, wie sich das Mobbingopfer fühlt und welche Alternativen es in Streitsituationen gibt.

Doch es gibt nicht nur Opfer und Täter, sondern auch scheinbar unbeteiligte Zuschauer, sogenannte Bystanders. Dieser Gruppe kommt eine wichtige Rolle zu, sagt Franz Hilt vom Präventionsprogramm Konfliktkultur. Denn wenn erste Attacken in dieser Gruppe Resonanz fänden, könnten sie sich zum echten Mobbing oder Cybermobbing entwickeln. "Entweder sind es Claqueure, die in Chats Beifall geben, oder es sind Verteidiger, die sagen: Es reicht", so Franz Hilt. "Man muss dem Täter das Publikum nehmen", sagt Nina Pirk vom Hilfstelefon "Nummer gegen Kummer". "Letztendlich sucht er Anerkennung und eine Bühne."

Jugendliche sind aber nicht die Einzigen, die von Internetmobbing betroffen sind. Professor Joachim Bauer zufolge kommt es etwa am Arbeitsplatz immer wieder zu Online-Attacken unter Kollegen. Mobbingopfer fielen häufig krankheitsbedingt aus. Somit sei Cybermobbing auch ein volkswirtschaftliches Problem.

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Saarland startet Webseite gegen Cybermobbing Zum Safer Internet Day hat der Landesjugendring Saar die neue Webseite "You-fair.de: Gegen Hetze im Netz" gestartet. Die Seite entstand in Kooperation mit Jugendserver-Saar und soll über "Trolle, Shitstorms, (Cyber-)Mobbing und Hate Speech" aufklären, teilte der Landesjugendring mit. Auf der Webseite werden unter anderem gängige Formen von Cybermobbing beschrieben. Betroffene erfahren, was sie tun können, um sich gegen Cybermobbing zu wehren. Außerdem werden Adressen von Anlaufstellen aufgelistet. www.you-fair.de

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