Mit Erdgas in die Umlaufbahn

Mit einer völlig neu entwickelten Sojus-Rakete, die Erdgas als Treibstoff nutzt, wollen russische Ingenieure die Startkosten für Satelliten senken. Die Idee ist technisch reizvoll. Ob sie umgesetzt wird, hängt aber auch von den Partnern der russischen Raumfahrt-Ingenieure im Westen ab. Und dort stehen die Zeichen derzeit auf Stopp.

 Die Sojus-Rakete ist Russlands zuverlässigster Raumtransporter. Sie kann bis zu drei Tonnen schwere Satelliten ins All bringen. Foto: ESA/Corvaja

Die Sojus-Rakete ist Russlands zuverlässigster Raumtransporter. Sie kann bis zu drei Tonnen schwere Satelliten ins All bringen. Foto: ESA/Corvaja

Foto: ESA/Corvaja

Moskau. Seit Ende Mai ist mal wieder ein Deutscher im All. Der Astronaut Alexander Gerst startete mit einer russischen Sojus-Rakete in den Weltraum. Mit einem ähnlichen Modell flog bereits der erste Satellit der Welt, der russische Sputnik, im Jahr 1957 ins All. Auch der erste Astronaut Juri Gagarin hob 1961 mit einer Sojus ab. Sie verbrennt Flugbenzin (Kerosin ) mit flüssigem Sauerstoff. Das sorgt für starken Schub auch außerhalb der Erdatmosphäre.

Mehr Leistung verspricht zwar die Anfang der 1980er Jahre im Space Shuttle erstmals eingesetzte Wasserstoff-Verbrennung, doch erfordert dieses Verfahren auch einen viel höheren Sicherheitsaufwand. Nun werden in Russland neue Triebwerke entwickelt, die mit Erdgas arbeiten und die Vorteile beider Verfahren kombinieren sollen, so Alexander Kirilin, Firmenchef des Triebwerkherstellers TSSKB Progress im russischen Samara.

Die Erdgas-Rakete könne die Kosten um bis zu ein Drittel reduzieren. Drei Versionen der Sojus-5-Rakete sollen in den kommenden fünf Jahren entwickelt und getestet werden. Ob sie jemals Satelliten aus dem Westen befördern, ist aber noch nicht ausgemacht. Denn im Zuge der Ukraine-Krise haben die USA und der Rest Europas die Zusammenarbeit mit Russland in der Raumfahrt auf den Prüfstand gestellt.

Eng verflochten

Dabei zeigt sich allerdings, wie eng verflochten die Projekte der Raumfahrtorganisationen mittlerweile sind. Die internationale Raumstation ISS könnten die beiden großen Raumfahrtnationen USA und Russland jeweils allein nicht mehr betreiben. Fast zwei Drittel der militärischen Aufklärungssatelliten des Westens werden derzeit mit amerikanischen Atlas-5-Raketen gestartet, die leistungsfähige und zuverlässige Wasserstoff-Sauerstoff-Triebwerke aus dem ehemaligen sowjetischen Raumfährenprogramm verwenden. Als Reaktion auf Sanktionen der USA, hat Russland mittlerweile den Export dieser Triebwerke untersagt. Profitieren von diesem Konflikt könnte das US-Unternehmen SpaceX, das ab 2015 seine Falcon-Heavy-Rakete als Raumtransporter anbieten will. Sie setzt auf altbekannte Technik. In den 25 Triebwerken ihrer drei Stufen wird Kerosin verbrannt. Die Falcon Heavy gilt als derzeit stärkster Raumtransporter weltweit. Sie kann rund 50 Tonnen Nutzlast in niedrige Erdorbits unter 2000 Kilometer Höhe bringen. Das klingt sehr gut - und hat doch einen Haken. Die Falcon Heavy ist noch nie geflogen.

Spitzenreiter bei kommerziellen Satellitenstarts ist heute das europäische Unternehmen Arianespace . Neben seinen beiden leistungsfähigen Ariane-5-Versionen vermarktet es den Kleinsatellitenträger Vega - aber auch die europäische Raumfahrtagentur Esa hat russische Technik im Programm. Sie startet mit altbewährten russischen Sojus-Modelle vom französischen Weltraumbahnhof Kourou. Das wiederum hat für den russischen Träger große Vorteile. Weil Kourou dicht am Äquator liegt, kann eine Sojus von dort bis zu drei Tonnen schwere Satelliten in die sogenannte Transferbahn zum geostationären Orbit schleppen. Das sind 1,3 Tonnen mehr als von ihren klassischen Startplätzen in Russland. Raketen , die am Äquator starten, nutzen beim Start den vollen Schwung der Erdrotation und brauchen so weniger Treibstoff. Ob diese Zusammenarbeit angesichts der politischen Verhältnisse zwischen Ost und West weitergeführt wird, ist offen. Gleiches gilt, falls Russland ohne westliche Partner die Sojus 5 baut. Auch dann wäre es wohl mit den Sojus-Starts in Kourou vorbei.

Derzeit verfolgt der amtierende Esa-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain die Strategie, ab dem Jahr 2021 die bisherige europäische Raketenflotte von Ariane 5, Vega und Sojus durch die neue Europarakete Ariane 6 zu ersetzen. Ziel ist es, die Startkosten von derzeit rund 150 Millionen zu halbieren. Statt auf die Entwicklung neuer, effizienterer Antriebe will die Esa bei diesem neuen Ariane-Modell auf Feststoffraketen im Hauptantrieb setzen. Die Raketenteile könnten in Frankreich, Deutschland und Italien zusammenfügt werden. Im Dezember werden die europäischen Forschungs- und Wirtschaftsminister über das Projekt entscheiden.

 So sehen die Modelle einer künftigen Sojus-Rakete mit Erdgasantrieb aus. Foto: us

So sehen die Modelle einer künftigen Sojus-Rakete mit Erdgasantrieb aus. Foto: us

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Hintergrund Theoretische Arbeiten über Erdgasantriebe für Raketen gibt es in Russland seit über 50 Jahren. Zwischen 2002 und 2006 gab es eine russische Zusammenarbeit mit westeuropäischen Raumfahrtunternehmen. 2012 testete Russland erfolgreich ein Methan-Triebwerk mit 42 Tonnen Schub. In Entwicklung ist eine verbesserte Version mit einer Schubkraft von rund 200 Tonnen. Ein einzelnes Triebwerk könnte beim Start den gleichen Schub liefern wie fünf Raketenmotoren der alten Sojus.

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