Mehr Lebensqualität bei Krebs

Nirgendwo in einem Krankenhaus liegen Leben und Sterben so nah beieinander wie in den Frauenkliniken. Das zeigt sich auch im Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum. Hier werden Kinder geboren und schwere Krebserkrankungen behandelt.

 Die gemeinnützige Organisation DKMS Life bietet Krebspatientinnen unter anderem spezielle Kosmetikseminare an. Hier gibt das Model Lena Gercke (links) bei einem der Jugendseminare einer jungen Krebspatientin Schminktipps. Foto: DKMS Life

Die gemeinnützige Organisation DKMS Life bietet Krebspatientinnen unter anderem spezielle Kosmetikseminare an. Hier gibt das Model Lena Gercke (links) bei einem der Jugendseminare einer jungen Krebspatientin Schminktipps. Foto: DKMS Life

Foto: DKMS Life

Cottbus. Wenn sich Pawel Gruszecki, Facharzt für Gynäkologie, und die Assistenzärztin Juliane Bock treffen, dann geht es meist um Leben und Tod. Zusammen mit den Ärzten der Frauenklinik, mit Strahlentherapeuten, Pathologen und Radiologen kommen sie regelmäßig zum sogenannten Tumorboard zusammen, einer Konferenz, bei der fachübergreifend die Behandlung jeder Tumorpatientin des Cottbuser Klinikums besprochen wird.

Zuvor haben die Frauen eine umfangreiche Diagnosemaschinerie durchlaufen, in der alle Daten über den Tumor gesammelt wurden. "Wenn die Frauen hier angekommen sind, dann ist der Krebs für sie real geworden", sagt Juliane Bock, die sich als Assistenzärztin speziell um Brustkrebspatientinnen kümmert. "Es ist erstaunlich, wie viele Frauen ihre Erkrankung lange Zeit verdrängen."

Dabei gilt, trotz aller medizinischen Fortschritte in der Krebsbehandlung, bis heute der Grundsatz: Je früher und je kleiner entdeckt, umso besser die Heilungschancen . "Wird ein Gebärmutterhalskrebs im Frühstadium oder gar in einer Vorstufe entdeckt, haben wir Heilungschancen von bis zu 99 Prozent", sagt Pawel Gruszecki, Facharzt für Gynäkologie.

Die Cottbuserin Marion Rose hatte Glück. Beim Ultraschall entdeckte der Frauenarzt bei der heute 64-Jährigen eine verdächtige Stelle in der Gebärmutter, entnahm eine Gewebeprobe und schickte sie ins Labor. Fünf Tage später wurde sie stationär aufgenommen und operiert. Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke wurden minimalinvasiv entfernt. "Der Tumor und ein verdächtiger Polyp wurden so rechtzeitig entdeckt, dass ich weder Chemo noch Bestrahlungen brauchte", sagt sie erleichtert. Alle drei Monate absolviert sie Kontrolluntersuchungen im Klinikum.

Auch die 77 Jahre alte Lisa Schmidt kann sich als geheilt betrachten. Bereits im Jahr 2000 entdeckte sie eine Hautveränderung an ihrer Scheide, doch erst zwei Jahre später ging sie mit einer pflaumengroßen Geschwulst zu einer Ärztin. "Ich musste noch am gleichen Tag ins Krankenhaus." Der Tumor wurde entfernt, mit ihm Teile der Scheidenwand. Nach einer ausführlichen Beratung entschloss sie sich, auf Bestrahlung und eine Chemotherapie zu verzichten. "Deshalb muss ich bis heute alle sechs Wochen zur Kontrolluntersuchung", sagt sie. Noch immer kämpft sie mit Beschwerden, ist dennoch unendlich dankbar für die Kunst der Ärzte und Schwestern.

Pawel Gruszecki beugt sich derweil über Diagnosen und Laborbefunde. Sie klassifizieren "gute" Tumore, die langsam wachsen und gut behandelbar sind, und "böse", bei denen es nur geringe Chancen auf eine Heilung gibt. Was sagen diese Daten über die Lebenserwartung eines Patienten ? Hier schütteln beide Ärzte den Kopf. "Kann man nie sagen, jede Frau ist anders." Außerdem gehe es auch bei aussichtslos scheinenden Fällen nicht darum, dem Leben mehr Jahre zu geben, vielmehr müssten die Jahre mehr Leben gewinnen.

"Aber die Frauen denken oft noch, Krebs wäre in jedem Fall ein Todesurteil. Dem ist längst nicht mehr so, wir haben auch dank neuer Medikamente enorm viele Möglichkeiten", sagt Pawel Gruszecki. Der Trend gehe dahin, Tumore zunächst durch Medikamente und Bestrahlung zu verkleinern und erst dann zu operieren. Die Therapieempfehlungen arbeiten die Ärzte gemeinsam beim Tumorboard aus. "Aber letztlich entscheidet die Patientin, was passiert", sagt Juliane Bock.

In der Regel gelten Frauen nach fünf Jahren ohne Rückfall als geheilt, bei Brustkrebs können Rezidive aber auch nach zehn Jahren auftreten. Dann läuft die Maschinerie von vorn an. Untersuchungen, Tumor-board, Operation. "Wenn nur eine einzelne Metastase aufgetreten ist, die wir gut entfernen können, gibt es dann immer noch Hoffnung auf Heilung", erklärt Gruszecki. Hat der Krebs stärker gestreut, wird aus der kurativen eine palliative, eine aufhaltende Behandlung.

"Unser Ziel ist es, den Frauen so lange wie möglich eine hohe Lebensqualität , möglichst in den eigenen vier Wänden, zu ermöglichen", sagt Juliane Bock. Schmerzmittel werden inzwischen schon vorbeugend eingesetzt, in schweren Fällen auch Morphine. "Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man fast darüber lachen, wenn Frauen selbst in diesem Stadium noch Angst haben, dass sie davon abhängig werden", sagt Juliane Bock.

Sie versucht, ihren Patientinnen und den Angehörigen in jedem Krankheitsstadium das Gefühl zu geben, dass sie Hilfe bekommen. Bei Schmerzen, bei Ängsten, bei ganz praktischen Problemen. "Natürlich ist es immer schöner, wenn wir eine Patientin heilen können", sagt Pawel Gruszecki. "Aber es ist auch für uns Ärzte gut zu wissen, dass wir selbst bei aussichtslosen Fällen noch hilfreich sein können." Cottbus. Sabrina Kühn (33) ist eine selbstbewusste Frau. Immer schon hat die gelernte Kosmetikerin Wert auf ihr Äußeres gelegt, war stolz auf ihre langen, schwarzen Haare. Doch im November 2014 bekam sie eine Krebsdiagnose, begann mit der ersten Chemotherapie . Zwischen dem zweiten und dritten Zyklus verlor sie ihre Haare - ein bitterer Moment.

"Als ich von den Kosmetikseminaren für Krebspatientinnen hörte, musste ich nicht lange überredet werden", erinnert sich die junge Frau. Sie meldete sich an - und ist bis heute begeistert von dem, was sie dort gelernt hat. Simone Krahn, Stationsleiterin der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie organisiert am Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum Kosmetikseminare. "Für unsere Patientinnen ist der Verlust der Haare durch die Chemo- oder Strahlentherapie immer ein sehr belastender Moment, das Selbstbewusstsein gerät völlig ins Wanken." Die Kosmetikseminare können hier wichtige Tipps geben. "Und sie verschaffen den Frauen einen Moment Luft. Zeit, in der sie nicht über die Krankheit nachdenken müssen, sondern sich einfach um sich und ihre Schönheit kümmern können", sagt Simone Krahn. "Es ist einfach auch erfreulich zu sehen, wie sich die Frauen nach einem solchen Nachmittag verändern."

Die jüngste Teilnehmerin war 15, die älteste 85 Jahre alt. Sa-brina Kühn gehört mit ihren 33 Jahren zu den Jüngeren. "Mir war wichtig, dass ich lerne, die Augenringe abzudecken und einfach frischer auszusehen." Auch die Tipps, um sich Tücher um den Kopf zu binden, fand sie hilfreich. Mit Schminke lässt sich der Krebs nicht besiegen. Aber er wird ein klein wenig erträglicher.

Zum Thema:

HintergrundJährlich werden rund 220 000 Frauen in Deutschland mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Die gemeinnützige Gesellschaft DKMS Life, sie ist eine Tochterorganisation der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS), bietet Patientinnen kostenfreie Kosmetikseminare an. Die Frauen lernen bei diesen Schulungen Schritt für Schritt von Kosmetikerinnen, wie sie die äußerlichen Folgen einer Tumortherapie kaschieren können. anhidkms-life.de

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