Extremismus, Sexualisierung und Anleitungen zum Selbstmord Kinder sind im Netz besonders gefährdet

Berlin · Eltern und Schulen sollten vermehrt auf extremistische und sexualisierte Online-Inhalte achten, fordern Jugendschützer.

 Jugendliche sind im Internet häufig Ziel von Beleidigungen und Anfeindungen. Dieses sogenannte Cyber-Mobbing kann für die jungen Menschen gravierende Folgen für ihr weiteres Leben haben.

Jugendliche sind im Internet häufig Ziel von Beleidigungen und Anfeindungen. Dieses sogenannte Cyber-Mobbing kann für die jungen Menschen gravierende Folgen für ihr weiteres Leben haben.

Foto: dpa-tmn/Silvia Marks

Jugendschutzexperten haben deutliche Verbesserungen beim Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet gefordert. Plattformbetreiber müssten Schutzvorkehrungen treffen und für ein kinder- und jugendgerechtes Angebot sorgen, so der Leiter der Initiative Jugendschutz.net, Friedemann Schindler. Der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Wolfgang Kreißig, forderte zudem zeitgemäße Rechtsgrundlagen für einen besseren Kinder- und Jugendschutz im Netz. Auch an die Verantwortung der Eltern und Schulen wurde appelliert.

Zugleich wurde der neue Bericht „Jugendschutz im Internet 2017“ vorgestellt. Demnach überprüfte ­Jugendschutz.net im vergangenen Jahr mehr als 100 000 Angebote im Netz und stellte dabei 7513 Verstöße fest. Zwar sei in 80 Prozent der Fälle eine schnelle Löschung erreicht worden, so ­Friedemann Schindler. Dennoch würden die Plattformen – zu denen große Anbieter wie Facebook, Whatsapp, Youtube oder Instagram, aber auch neuere soziale Netzwerke wie Tik Tok oder Tellonym zählen – bislang kaum vorsorgende Maßnahmen ergreifen.

So seien die Nutzerprofile bei den meisten Apps auf „öffentlich“ eingestellt. Auch Schutz vor Kontaktanfragen durch Fremde gebe es zunächst nicht. Zudem erfassten zahlreiche Plattformen und Apps ungefragt Standortdaten ebenso wie Informationen zur Heimatadresse oder zur Schule der minderjährigen Nutzer. Dabei sei es vonseiten der Anbieter technisch kein Problem, diese Einstellungen anders anzulegen, sagt Schindler: „Wenn bereits Achtjährige in den Diensten unterwegs sind, sind sichere Voreinstellungen ein Muss.“ Wirksam könnten auch Schlüsselwort-Filter durch die Anbieter sein, sodass Inhalte mit nicht-kindgerechter Ausdrucksweise für Kinder und Jugendliche gar nicht erst sichtbar seien.

Außerdem hätten vor allem Hinweise auf sexualisierte Darstellungen von Kindern und sexueller Gewalt in sozialen Medien deutlich zugenommen, berichtet Schindler. Es kursierten auch zahlreiche Aufforderung zu Selbstverletzungen und Suizid, Radikalisierungen und Gewaltaufrufe durch Rechtsextremisten und Islamisten sowie Cybermobbing in den sozialen Netzwerken. So gehöre es zum Online-Alltag vieler Kinder und Jugendlicher, mit sexualisierten oder beleidigenden Kommentaren konfrontiert zu werden.

Es gebe etwa Portale, auf denen Jugendliche explizit zur Selbstverletzung oder zum Suizid aufgefordert würden. „Besonders gefährdet sind junge Menschen, die sich regelmäßig schädigen oder Suizidgedanken haben“, so die Untersuchung. „Sie werden durch solche Wettbewerbe bestärkt.“ Eines dieser Foren habe Kinder „detailliert zur Selbsttötung aufgefordert und Methoden beschrieben“. Diese Plattform sei von der KJM als „schwer jugendgefährdend“ eingestuft worden.

Die Jugendschützer hätten außerdem Online-Händler untersucht, die im Netz psychoaktive Stoff verkauften, die nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fielen. Diese würden häufig „als harmlose Kräutermischungen angeboten und können ohne Altersnachweis bestellt werden“, so die KJM. Von 27 untersuchten Shops hätten zwei Drittel diese als „Legal Highs“ beworbenen Produkte trotz Mahnung vonseiten der Jugendschützer nicht aus dem Programm genommen.

Rechtsextremistische Angebote für Kinder werden laut KJM ebenfalls immer häufiger verbreitet. Rassismus werde etwa auf Instagram als „alternativer Lifestyle“ angepriesen. Die Rechtsextremen „setzen sich, ähnlich wie Popstars, lebensnah in Szene, geben private Momente preis und vermitteln so ein Gefühl von Vertrautheit und Nähe“, berichtet die KJM. Nach dem Beschluss des Bundestages zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare seien die Jugendschützer auch vermehrt auf Hassbeiträge gegen homosexuelle Menschen gestoßen. „Verbreitet wurden Memes, die sie als ‚unnatürlich’, ‚krank’ oder ‚Volksschädlinge’ diffamierten.“

Jugendschutz.net geht Nutzerhinweisen auf mögliche Verstöße gegen den Jugendmedienschutz im Internet nach. Bei Verstößen versucht das Team, Kontakt zum jeweiligen Anbieter aufzunehmen und eine Löschung der betreffenden Inhalte zu erreichen. Das Angebot gilt den Angaben zufolge als weltweit einmalig.

(epd)
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