Tod in der Timeline Internet-Videos könnten Kriegsverbrechen aufklären

Berlin/Damaskus · Menschenrechtler der Gruppe Syrian Archive nutzen einen speziellen Algorithmus um Waffen in Online-Videos zu erkennen.

Für einen kurzen Moment taucht der Feuerball die Landschaft in helles Licht. Dann legt sich die Nacht wieder wie ein Schleier über das Geschehen. Was sich im Inneren des Krankenhauses in Idlib im Nordwesten Syriens abspielt, gegen das sich der Luftschlag richtet, lässt das Amateurvideo nur erahnen. Es ist die vierte Attacke gegen ein Krankenhaus in der Stadt innerhalb eines Monats. Nachgewiesen haben diese Angriffe Menschenrechtler der Gruppe Syrian Archive. Die Gruppe spürt mit Hilfe von Internetvideos Menschenrechtsverstöße unter anderem im Syrien-Krieg auf.

Dabei spielt künstliche Intelligenz eine wichtige Schlüsselrolle. Die App „VFrame“, die die Gruppe zusammen mit Wissenschaftlern entwickelt hat, kann mit Hilfe eines Algorithmus Straftaten und Waffen erkennen. 18 Waffentypen erkennt der Algorithmus bereits, selbst dann, wenn sie nur verdreckt oder beschädigt zu sehen sind. Bis Anfang Juni wollen die Entwickler dem Programm die Erkennung weiterer Munitions- und Waffentypen antrainieren.

Der Krieg in Syrien ist einer der ersten Konflikte, der live in die Timelines sozialer Netzwerke übertragen wird – in Form verwackelter Handyaufnahmen auf Youtube, Facebook und Twitter.

Mit Hilfe dieser App sammelt, verifiziert und analysiert die 2014 in Berlin gegründete Gruppe, Syrian Archive, Videos und Bilder aus öffentlich zugänglichen Quellen, um Menschenrechtsverstöße für die Zukunft zu dokumentieren. Die Staatengemeinschaft könnte zukünftig auf dieses Archiv zurückgreifen, um Kriegsverbrechen im seit 2011 andauernden Syrien-Konflikt aufzuklären. Rund 1,5 Millionen Videos hat das Syrian Archive gesammelt, die ohne technische Hilfe nicht ausgewertet werden könnten.

Auch vor Gericht werden immer häufiger Internet-Videos zugelassen. Der erste Haftbefehl, den der Internationale Strafgerichtshof auf Grundlage von solchen Videos erlassen hat, liegt nur wenige Monate zurück. Aber bis heute wartet die Behörde auf die Auslieferung des libyschen Offiziers Mustafa al-Werfalli. Aufnahmen aus Bengasi sollen ihn bei der Erschießung gefesselter Menschen zeigen.

(dpa)
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