Demokratie oder Überwachugsstaat? Indien plant landesweites Gesichtserkennungssystem

Neu-Delhi · Der Gesichtserkennungstechnologie trauen in Indien deutlich mehr Menschen als in Deutschland. In einigen indischen Cafés wird sie schon eingesetzt. Willigt der Kunde ein, schießt eine Kamera ein Foto von ihm, erkennt ihn beim nächsten Besuch wieder und schreibt Treuepunkte gut.

 Die indische Regierung setzt auf vollständige Gesichtserkennung.

Die indische Regierung setzt auf vollständige Gesichtserkennung.

Foto: dpa/FrM

Nun plant die indische Regierung, eines der größten Gesichtserkennungssysteme der Welt aufzubauen. Es soll zentral Bilddatenbanken von Behörden zusammenführen. Auch Fotos aus Zeitungen und Fahndungsbilder sollen ins System integriert werden. Es soll Aufnahmen von Überwachungskameras mit den Datenbanken abgleichen und Alarm schlagen, wenn es gesuchte Menschen findet. Die Software soll helfen, Verbrecher, verschwundene Personen und Leichen zu identifizieren und Verbrechen zu verhindern.

Indische Datenschutzaktivisten und Menschenrechtsorganisationen warnen, dass das geplante System das Land zu einem Überwachungsstaat machen könnte. Es sei unklar, wie die Daten gespeichert und genutzt werden, sagt die indische Organisation Internet Freedom Foundation. Außerdem gebe es in Indien kein robustes Datenschutzgesetz und keinen rechtlichen Rahmen für das System, was das Recht auf Privatsphäre beeinträchtige, sagt Amnesty International.

Die Gesichtserkennungstechnologie sei noch recht fehleranfällig, sagt Markus Dürmuth von der Universität Bochum. Sie markieren häufig die Falschen als verdächtig und finden gleichzeitig etliche Personen nicht, nach denen tatsächlich gefahndet werde. Das sah man etwa bei Tests der Polizei am Berliner Bahnhof Südkreuz. In Deutschland wurde der automatisierte Bildabgleich gerade erst aus dem Entwurf für ein neues Bundespolizeigesetz gestrichen.

Noch hat Neu-Delhi auf die Einwohnerzahl gerechnet rund zwölfmal weniger Kameras als die chinesische Millionenmetropole Shanghai und gleich viele wie Berlin, heißt es auf der Internetsicherheitsseite Comparitech. Doch das will die indische Hauptstadt nach eigenen Angaben ändern. Das schaffe mehr Sicherheit, auch für Frauen. Fragt man auf den Straßen in Neu-Delhi, finden viele die zusätzlichen Kameras gut. Den Menschen dort ist die Sicherheit von Leben und Besitz wichtiger als die Privatsphäre.

(dpa)
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