Risikobewusstsein wächst Der tägliche Stress durch das Internet

Hamburg/Stuttgart · Von Mobbing bis Zeitverschwendung – immer mehr Jugendliche sehen Risiken darin, ständig online zu sein.

 Zwar sehen Jugendliche das Internet vermehrt kritisch, aber darauf verzichten wollen sie deshalb nicht.

Zwar sehen Jugendliche das Internet vermehrt kritisch, aber darauf verzichten wollen sie deshalb nicht.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Nutzt du das Internet? Diese Frage erscheint jungen Menschen heutzutage vollkommen lächerlich. „Die komplette Kommunikation läuft mittlerweile über das Netz. Es ist in keinem Lebensbereich mehr wegzudenken“, sagt Michael Vrazitulis. Der 20-Jährige bestätigt damit, was eine Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) festgestellt hat. Demnach nutzen 99 Prozent der befragten 14- bis 24-Jährigen das Internet täglich. Und dennoch regen sich unter den Jugendlichen langsam auch Bedenken. Die 17-jährige Abigail Köster sagt: „Ich nutze das Internet hauptsächlich zur Recherche. Ich bin zwar bei sozialen Netzwerken angemeldet, kann aber auch gut ohne.“ Sie sieht bei der Nutzung zu viele potenzielle Risiken: „Was einmal im Netz ist, verschwindet nicht mehr.“

54 Prozent der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen veröffentlichen laut Umfrage in den sozialen Netzwerken selten bis nie etwas, weil sie so wenige Daten wie möglich von sich preisgeben wollen. Die Befragten hätten vor allem die Sorge, dass persönliche Informationen über sie veröffentlicht oder falsche Angaben über sie gemacht würden. Sogenannte Fake-Profile, also gefälschte Nutzerprofile in den sozialen Medien, nähmen 44 Prozent der Befragten als eines der größten persönlichen Risiken im Netz wahr. Rund zwei Drittel der Jugendlichen sind laut Studie der Meinung, es gebe im Internet eine Beleidigungskultur und wer sich dort äußere, müsse damit rechnen beleidigt oder beschimpft zu werden. „Cyber-Mobbing ist ein großes Problem“, so Köster.

In der Studie Jugend, Information und Medien (JIM) 2018 gaben elf Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahre an, dass schon einmal peinliche oder beleidigende Fotos oder Videos, auf denen sie zu sehen waren, veröffentlicht wurden. Kontakt mit Hassbotschaften im Netz hat laut Studie bereits der überwiegende Teil der jungen Menschen gehabt. 21 Prozent der Umfrageteilnehmer seien schon häufiger Feindseligkeiten im Netz begegnet, weiteren 17 Prozent passiere dies zumindest gelegentlich und 28 Prozent hätten damit eher selten zu tun. Nur etwa ein Drittel der Jugendlichen antwortete, noch nie mit Hassbotschaften konfrontiert gewesen zu sein. 34 Prozent der Jugendlichen gaben in der JIM-Studie an, dass in ihrem Bekanntenkreis schon einmal jemand Opfer von Cyber-Mobbing, also Drangsalierung in Online-Foren oder den sozialen Medien, wurde.

Der DIVSI-Umfrage zufolge spielt es für Jugendliche eine eher geringe Rolle, ob von ihnen online Daten zu Marketingzwecken gesammelt werden. „Ja, die Datensammelei ist ein Problem, aber man ist vom Netz abhängig“, so Vrazitulis. Deswegen verändere er sein Verhalten nicht. Andere Nutzer sehen das Thema Datensicherheit noch entspannter. Die 21-jährige Verena Blacha sagt: „Ich habe keine Bedenken wegen des Datenschutzes. Auf der Straße würde ich das, was ich ins Netz stelle, auch jedem erzählen.“ Andere verhalten sich sehr wohl anders als früher, weil sie sich mehr Datensicherheit wünschen. „Bei Whatsapp verschicke ich ungerne etwas über mich, und ich poste auch selten bei Facebook. Da tritt man ja seine Rechte ab.“ Bei Snapchat lasse sich immerhin bestimmen, wie lange ein Bild angesehen werden könne, bevor es gelöscht werde, erklärt die 20-jährige Theresa Vatter. Außerdem würden Nutzer dieses Dienstes benachrichtigt, falls jemand ein Bildschirmfoto von einem Beitrag mache, der sich eigentlich automatisch löschen soll. Vatter erzählt außerdem, dass die mediale Diskussion der Datenschutzgrundverordnung bei ihr insgesamt mehr Bewusstsein für das Thema geschaffen habe.

41 Prozent der befragten 18- bis 24-Jähringen finden laut der DIVSI-Umfrage die Vorstellung befremdlich, künftig noch mehr über das Internet zu erledigen. Fast die Hälfte der Befragten sagte, sie wünsche sich, künftig weniger online zu sein. Viele junge Leute beschäftigt auch das Risiko, internetsüchtig zu sein oder zu werden, Bei den 14- bis 17-Jährigen sei diese Befürchtung mit einem Anteil von 30 Prozent etwas verbreiteter als bei den 18- bis 24-Jährigen. Hier stuften 26 Prozent Internetsucht als ein Risiko ein. Nicht sicher, ob sie bereits internetsüchtig sind oder es schon mal waren, seien ebenfalls 30 Prozent aller Umfrage-Teilnehmer.

Fast zwei Drittel der Jugendlichen gaben in der Befragung an, dass sie das Gefühl haben, im Internet Zeit zu verschwenden. Die 18-jährige Katharina Meyer sagt: „Das Internet ist zum Teil eine Belastung. Manchmal fühlt man sich unproduktiv, es geht einfach zu viel Zeit verloren.“ Gleichzeitig sehe sie im Internet auch eine Chance, da dadurch der Kontakt zu anderen Menschen sehr erleichtert werde. 69 Prozent der befragten Jugendlichen der DIVSI-Studie gaben sogar an, dass das Internet sie ­glü­cklich mache. 68 Prozent wollten auch in Zukunft nicht darauf verzichten, auch wenn im Vergleich zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2014 das Risikobewusstsein bei vielen Jugendlichen stark angewachsen sei.

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