Harmloser Witz oder gefährliche Gesinnung? Wenn aus Online-Bildern Rassismus wird

Saarbrücken/Soest · Bilder mit witzigen Sprüchen – sogenannte Memes – sind in den sozialen Netzwerken sehr beliebt. Aber nicht jedes Foto ist harmlos. Immer häufiger tauchen Bildchen im Internet auf, die fremdenfeindliche Meinungen gesellschaftsfähig machen sollen.

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Foto: SZ

In den meisten Fällen sind sie süß, witzig und harmlos: Memes. Ein Meme ist eine aussagekräftige und leicht verständliche Grafik oder ein Foto mit einem witzigen Spruch. Ein Beispiel: Sechs Katzen sitzen vor einer geöffneten Haustür und schauen erwartungsvoll hinein. Darüber steht: „Hi, we understand you are 40 and still not married“ (Hallo, wir haben gehört, dass du 40 und immer noch unverheiratet bist). Eine witzig gemeinte Anspielung auf alleinstehende ältere Katzenbesitzer. Mit solchen einfach verständlichen Bildern können viele Menschen etwas anfangen. Das macht Memes auf Facebook, Twitter und Co. „teilbar“.

Neben den harmlosen Varianten werden Memes jedoch immer häufiger für radikale Aussagen instrumentalisiert. Denn mit aussagekräftigen Bildern lässt sich online viel Aufmerksamkeit erzeugen. Rassismus, Antisemitismus und Terror sind nur einige der Themen, über die sich die Autoren in Bildform lustig machen. Beispielsweise gibt es ein Meme bestehend aus zwei Fotos, die übereinander stehen. Das obere zeigt das bekannte lächelnde Foto des jüdischen Mädchens Anne Frank, die kurz vor Kriegsende von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Darunter ein kleiner Aschehaufen und dazwischen steht: „This is not even my final form“ (Das ist nicht einmal meine endgültige Form).

„Solche Memes sind nicht nur geschmacklos, sondern können auch strafrechtlich verfolgt werden. In dem beschriebenen Fall drängt sich auf, dass das Bild das Andenken einer Verstorbenen verunglimpft“, sagt Dominik Brodowski. Er ist der Strafrechtsprofessor der Saar-Universität. „Das ist eine Straftat, für die laut Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Gefängnis drohen.“

Nicht nur die Erstellung, sondern auch das Verbreiten rassistischer Memes in sozialen Netzwerken könne strafbar sein, erklärt Brodowski. Doch gibt es da ein Problem. Während sich Fotos beispielsweise auf Facebook relativ schnell zurückverfolgen lassen, ist es um einiges schwieriger, den Meme-Schöpfer ausfindig zu machen. „Es gibt zwar technische Möglichkeiten, die Ersteller zu finden. Diese sind aber sehr aufwendig und zeitintensiv“, sagt Brodowski.

Die Macher solcher Memes haben es einfacher. Die Bilder sind binnen Sekunden online. Das Aufspüren der Urheber sowie die Strafverfolgung und das Gerichtsverfahren können sich dagegen über Monate hinziehen. Trotzdem hofft Brodowski: „Es wäre wünschenswert, dass diejenigen, die solche Memes kreieren und verbreiten auch effektiv verfolgt werden.“

Und die Zahl der Memes wächst täglich. Webseiten, wie beispielsweise „9GAG“ – mit mehr als 39 Millionen Abonnenten auf Facebook –, haben sich gänzlich auf Memes spezialisiert. Der Reiz an diesen Bildern ist schnell erklärt: „Botschaft und Bildsprache sind oft mehrdeutig und mit einem Witz vergleichbar – die harmlosen Memes jedenfalls“, sagt Ralf Schliewenz, Vorstandsmitglied der Klinischen Psychologie des Berufsverbands Deutscher Psychologen. Und wie sieht es mit den rassistischen Memes aus? Eines, das Erika Steinbach, früher CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, auf Twitter veröffentlichte und dafür viel Kritik erntete, sieht so aus: Ein kleines Kind – weiß-blonde Haare, helle Haut – steht vor einer kleinen Gruppe Frauen mit dunkler Hautfarbe, die das Kind interessiert anblicken. Über dem Meme steht: „Deutschland 2030“, darunter: „Woher kommst du denn?“ Die Anspielung ist offensichtlich, der Kontext rassistisch.

Wer ein solches Bild weiterempfehle, der habe auch die Bedeutung dahinter verstanden und könne es nicht als Witz abtun, sagt Schliewenz. „Viele, die insgeheim die gleiche Gesinnung haben, geben dem Bild einen Daumen hoch und verstecken sich damit in der Masse. Ein Bild mit einem witzigen Unterton macht es einfacher, auf einen rassistischen Zug aufzuspringen“, sagt Schliewenz. Und dazu eignen sich Plattformen wie Facebook und Twitter sehr gut, erklärt der Psychologe: „Wenn man auf Facebook ein Meme sieht, könnte der Nutzer auch seine Abneigung darüber zum Ausdruck bringen, aber das ist oft zu anstrengend.“ Konkret heißt das: Eine Beschwerde müsste geschrieben und eingereicht werden.

Wie steht es um die Bedrohung, die von rassistischen Memes ausgeht? Schliewenz hat dazu eine klare Meinung: „Natürlich sind Memes gefährlich. Sie verbreiten fremdenfeindliche Meinungen und machen sie gesellschaftsfähig.“ Und er fügt hinzu: „Wir wissen alle, was passieren kann, wenn solche Anschauungen in der Gesellschaft anerkannt werden.“ Während im Fall des Anne-Frank-Memes der Straftatbestand Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vorliege, sei es im Fall des von Erika Steinbach verbreiteten Memes nicht ganz so eindeutig, sagt Brodowski: „So geschmacklos solche Bilder auch sind, ob strafrechtlich ein Verstoß vorliegt, muss in jedem einzelnen Fall von einem Gericht überprüft werden.“

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