Online-Versandhandel Hochprozentiges aus dem Netz

Frankfurt/Berlin · Eine Gesetzeslücke macht es Kindern und Jugendlichen in Deutschland möglich, Alkohol im Internet zu kaufen.

 Bier, Wein und sogar Hochprozentiges: Experten bemängeln, dass Kinder und Jugendliche im Internet zu leicht an Alkohol kommen.

Bier, Wein und sogar Hochprozentiges: Experten bemängeln, dass Kinder und Jugendliche im Internet zu leicht an Alkohol kommen.

Foto: dpa/Jens Büttner

Jugendliche in Deutschland kommen zu leicht an Alkohol, sagt Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Auch im Internet werde Alkohol genau auf Jugendliche zugeschnitten beworben und verkauft. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, fordert, dass beim Jugendschutz im Internet dieselben Regeln gelten sollten wie an der Ladentheke.Die Rechtslage ist beim Versandhandel bislang nämlich nicht eindeutig formuliert.

Das Jugendschutzgesetz verbietet die Abgabe von Spirituosen an Kinder und Jugendliche in Gaststätten, Verkaufsstellen und sonstiger Öffentlichkeit. Ob der Versandhandel unter den letzten Punkt fällt, sei fraglich. Das sieht auch die Verbraucherzentrale (VZ) so: „Wir befinden uns hier in einer Grauzone“, erklärt Peter Lassek, Rechtsreferent bei der VZ Hessen. Bei nicht jugendfreien Filmen gehe das Jugendschutzgesetz explizit auf den Versandhandel ein. Nicht so beim Alkohol. Lassek fordert daher eine Schließung dieser Gesetzeslücke. Bei Tabakwaren wurde die Lücke im Jugendschutzgesetz schon geschlossen. Der Versandhandel ist seit 2016 explizit genannt: „Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse dürfen Kindern und Jugendlichen weder im Versandhandel angeboten noch an Kinder und Jugendliche im Wege des Versandhandels abgegeben werden.“ Dass das beim Alkohol noch nicht geschehen ist, zeigt nach Meinung von DHS-Geschäftsführer Gaßmann die Macht der Alkohol-Lobby in Deutschland.

Die obersten Jugendbehörden aller Bundesländer haben nach einer Tagung im März ihre Rechtsauffassung mit Praxishinweisen zum Alkoholversand herausgegeben. Für die zuständigen Ministerien der Länder stellt der Alkoholversand eindeutig eine Abgabe in der Öffentlichkeit dar. Mit geeigneten Verfahren müsse der Händler sicherstellen, dass keine Auslieferung an Minderjährige erfolgt. Das hessische Sozialministerium verweist in diesem Zusammenhang auf die Zuständigkeit der Gemeinden für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten.

In Frankfurt kauften Jugendliche an Kontrolltagen testweise Alkohol in Kiosken, Trinkhallen, Supermärkten und Tankstellen, erklärt Michael Jenisch vom dortigen Ordnungsamt. Für den Online-Versandhandel gebe es so etwas bislang aber nicht. Ordnungsamt und Präventionsrat halten derartige Kontrollen für in der Praxis nicht durchführbar. Sollte es jedoch Kenntnisse über ein Unternehmen geben, das Alkohol an zu junge Menschen verschicke, würde man eingreifen. Derartige Verstöße seien aber bislang jedoch noch nicht bekannt. Auch der Referatsleiterin für Sicherheit und Ordnung beim Hessischen Städtetag, Anita Oegel, sind Jugendschutzkontrollen beim Alkohol-Versandhandel aus keiner Stadt bekannt. Es sei praktisch kaum kontrollierbar, wer von wo wohin Alkohol liefere.Nach Oegels Meinung muss bei den Händlern im Internet und der elektronischen Altersüberprüfung angesetzt werden. „Da müssen Internet-Spezialisten ran“, sagt sie. Von den einzelnen Ordnungsämtern sei das nicht zu leisten.

Auf zahlreichen Internetportalen sei die Altersprüfung bereits schwer zu überwinden. Trotzdem gebe es immer schwarze Schafe. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) empfiehlt seinen rund 500 Mitgliedern, sowohl bei Aufnahme der Bestellung als auch bei Übergabe der Lieferung für eine hinreichende Altersverifikation zu sorgen. „Harter Alkohol hat in den Händen von Jugendlichen nichts zu suchen“, sagt Sebastian Schulz, Leiter Rechtspolitik und Datenschutz beim bevh. Es sagt aber auch, dass „Jugendschutzgesetz und die Rechtssprechung hier keine eindeutige Sprache sprechen“.

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