Heuschrecken-Radar für Autos

Graz · Das Auto der Zukunft soll autonom fahren. Damit es ohne menschliche Eingriffe auskommt, muss es seine Umwelt wahrnehmen und Kollisionen vermeiden können. Dafür genügt im Prinzip die Leistung eines Insektenhirns, sagen nun österreichische Forscher.

 Das Hirn einer nur wenige Zentimeter großen Wanderheuschrecke ist leistungsfähiger als ein modernes Computersystem zur Kollisionsvermeidung. Foto: Nimmervoll/Fotolia

Das Hirn einer nur wenige Zentimeter großen Wanderheuschrecke ist leistungsfähiger als ein modernes Computersystem zur Kollisionsvermeidung. Foto: Nimmervoll/Fotolia

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Wer sich heute in einer Limousine mit Chauffeur kutschieren lässt, demonstriert damit aller Welt, dass er finanziell gut gestellt ist. Im kommenden Jahrzehnt könnte sich die Situation ganz anders darstellen. Dann könnte das Fahrzeug ohne Steuermann zum Statussymbol avancieren. Das autonome Auto , das seinen Weg allein findet, soll in zehn Jahren der nächste Coup der Hightech-Branche werden. Dafür entwickeln Ingenieure bereits eine ganze Armada digitaler Assistenten. Deren wichtigste Aufgabe besteht darin, Kollisionen zu vermeiden.

Die Fachwelt setzt dabei derzeit auf hochauflösende Kameras, Laser-Detektoren, Ultraschallsensoren und ein Rechenzentrum im Kofferraum. Ein ganz anderes Verfahren schlägt dagegen Professor Manfred Hartbauer von der Uni Graz vor. Er entwickelt einen Kollisionssensor, der mit minimalem Hardware-Aufwand auskommt. Hartbauer verlässt sich auf das Vorbild Natur. Der Zoologe baut ein Kollisionsradar nach dem Vorbild des Auges der Wanderheuschrecke.

Diese Insekten sind Meister in Sachen Kollisionsvermeidung. Sie fliegen in Schwärmen von mehreren hundert Millionen Tieren wie ein einziger Organismus, der blitzartig auf Feinde reagieren kann. "Wenn ein Vogel mit hoher Geschwindigkeit in einen solchen Schwarm fliegt, teilt sich die Einheit, und der Jäger stößt ins Leere", erklärt Hartbauer.

Die Reaktionszeiten einer Heuschrecke (20 bis 40 Millisekunden) sind zehnmal kürzer als die eines Menschen. Bei der Berechnung des Kollisionsrisikos mit einem beliebigen Objekt hängt das nur wenige Millimeter große Insektenhirn jeden Computer ab. Denn Computerprogramme, so Hartbauer, versuchen zuerst mit hochauflösenden Sensoren ein möglichst präzises Bild der Umwelt zu gewinnen, um dann Hindernisse zu identifizieren. "Bei der Heuschrecke läuft das vollkommen anders", so der Zoologe. "Sie eliminiert sofort alle Informationen aus dem Bild, die unwesentlich sind." Damit seien die Insekten , die extrem kurzsichtig sind, praktisch nur die Farben Grün und Blau sehen und deren Augen nur eine grob gerasterte Sicht ermöglichen, allen heutigen technischen Systemen weit überlegen.

Kurzsichtige Flugkünstler

Eine Heuschrecke könne Objekte, die weiter als 60 Zentimeter entfernt sind, nur unscharf erkennen. Ihr Sehsystem, das aus vielen tausend Einzelaugen besteht, erlaube jedoch praktisch einen kompletten Rundumblick. Und das funktioniere unter allen Lichtverhältnissen. "Die Heuschrecke kann so in jeder Situation eine Kollision vermeiden."

Manfred Hartbauer entwickelt nun in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Team einen Kollisionsdetektor, der mit künstlichen Heuschrecken-Augen ausgestattet wird. "Wir wollen im Prinzip das Heuschrecken-Gehirn digital nachahmen." Dafür genügten im Prinzip schon Sensoren mit 100 mal 200 Bildpunkten. Etwa zwei Jahre solle es dauern, bis das erste Laborexemplar eines solchen Detektors einsatzbereit ist.

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