Hass auf den eigenen Körper

Berlin · Magersucht, Selbstverletzung, Suizid – im Internet stoßen bereits Kinder auf Seiten, die diese Themen verherrlichen. Die Beiträge stammen oft von Gleichaltrigen und rufen zum Nachahmen auf.

 In speziellen Foren und sozialen Netzwerken berichten immer mehr Kinder und Jugendliche über ihre Abnehm-Erfolge. Foto: Fotolia

In speziellen Foren und sozialen Netzwerken berichten immer mehr Kinder und Jugendliche über ihre Abnehm-Erfolge. Foto: Fotolia

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Emma ist erst zehn Jahre alt und berichtet von sieben Suizidversuchen. Ein anderes Mädchen will so dürr wie möglich werden und eine dritte Nutzerin fügt sich immer wieder selbst Schmerzen zu, indem sie sich in die Haut schneidet. So unterschiedlich ihre Probleme sind, eines haben alle drei gemeinsam: Sie lassen viele andere Kinder und Jugendliche in sozialen Netzwerken und in Foren daran teilhaben.

Suizidgedanken, Berichte über Selbstverletzungen und Essstörungen sind im Internet keine Seltenheit. Experten von dem Portal jugendschutz.net haben im Februar und März 2015 in sieben bei Jugendlichen beliebten Social-Web-Diensten und zwei Kinder-Portalen fast 450 entsprechende Beiträge gefunden. Neu sei die Erkenntnis, dass auch Internetseiten für Kinder betroffen sind, heißt es in einer Untersuchung, die von jugendschutz.net durchgeführt und vergangene Woche vorgestellt wurde. 90 Prozent der problematischen Beiträge stammten von Mädchen mit einem Durchschnittsalter von 15 Jahren. Die jüngsten Autorinnen waren erst neun Jahre alt.

"Wir müssen auf die Tatsache, dass immer jüngere Kinder das Internet nutzen, reagieren, um sie vor gefährlichen Inhalten zu schützen", sagte die rheinland-pfälzische Staatssekretärin im Jugendministerium, Margit Gottstein. So könnten Eltern etwa durch entsprechende Schutzprogramme beeinflussen, welche Inhalte ihren Kindern im Netz zugänglich sind.

Doch ein Schutz ist aus Sicht von Experten schwierig. "Seiten zur Magersucht beispielsweise lassen sich noch verbieten, soziale Netzwerke wie Facebook aber nicht", sagt Katharina Avemann vom Frankfurter Zentrum für Essstörungen. Außerdem erschwere die Tatsache, dass Kinder zunehmend Smartphones statt Computer nutzen, die Kontrolle, etwa durch die Eltern.

Laut einer Studie des Branchenverbandes Bitkom beginnen bereits die Zehn- bis Elfjährigen, soziale Netzwerke zu nutzen. Mit zwölf Jahren nutzen schon 85 Prozent der Jugendlichen ein Smartphone. Avemann, Fachfrau für Prävention sieht Dienste wie Whats-app kritisch: "Während früher die Waage zur Gewichtskontrolle diente, tun dies heute zunehmend auch soziale Netzwerke. Sie sind eine Plattform, um sich zu vergleichen, zu kontrollieren und profilieren."

Nach den Recherchen der Jugendschützer wurden in dem Foto- und Nachrichtendienst Instagram Abnehmpartner gesucht. Zudem riefen Jugendliche zur Gründung von Whatsapp-Gruppen auf, in denen Nutzer ihre Körpermaße oder Berichte über das Essverhalten veröffentlichen sollen. Ohnehin gefährdete Kinder, die auf solche Inhalte stoßen, fühlen sich demnach oft verstanden und ermutigt, weiter an ihrem Verhalten festzuhalten.

Die Reaktionen auf die Kritik sind aus Sicht der Jugendschützer unzureichend. Nur 42 Prozent der kritischen Inhalte seien nach Hinweisen von jugendschutz.net innerhalb von zwei Wochen entfernt worden. Deutsche Anbieter reagierten häufiger als ausländische. Letztere unterliegen laut Schneider meist nicht den Regelungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Er sagt: "Angesichts der Tatsache, dass die bei Kindern und Jugendlichen beliebtesten Plattformen in diese Kategorie fallen, müsste man darüber nachdenken, Regelungen auch auf europäischer Ebene zu schaffen."

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