Verbesserte Verfahren Die Biometrie ist auf dem Vormarsch

München/Darmstadt · Handys per Fingerabdruck oder Iris-Scan zu entsperren, ist beliebt, doch die dazu nötigen Daten sicher zu speichern, ist eine Herausforderung.

 Biometrische Daten verraten viel über Verhalten, Vorlieben und Emotionen der Nutzer.  

Biometrische Daten verraten viel über Verhalten, Vorlieben und Emotionen der Nutzer.  

Foto: dpa-tmn/Ole Spata

  Für viele Computer- und Handynutzer ist es längst Routine: Kurz mit dem Finger über einen Sensor fahren oder den Daumen auf das runde Feld drücken, schon ist der Bildschirm entsperrt. Besitzer neuerer Geräte können zur Freischaltung auch in eine 3D-Kamera gucken, in der ein Sensor das Auge oder das ganze Gesicht erfasst. Fingerabdruck-Scan oder Gesichtserkennung – solche biometrischen Authentifizierungs-Systeme sind praktisch. Sie sorgen unter anderem dafür, dass Verbraucher sich keine hundert Passwörter mehr merken müssen, die noch dazu oft leicht zu umgehen sind.

Und sie werden immer sicherer. Der Münchner Chiphersteller Infineon etwa verbaut Sensoren mit der sogenannten Time-of-Flight-Technologie (ToF) in Handys des Herstellers LG. Der Chip erfasst Infrarotlicht, das vom gescannten Objekt reflektiert wird. Auf diese Weise wird ein 3D-Bild des Gesichts erstellt. Mit einem schlichten 2D-Foto des Besitzers lässt sich das Handy damit nicht mehr knacken. Zuvor hatte Apple bereits eine noch etwas aufwändigere Variante der Gesichtserkennung für das iPhone entwickelt.

„Einfache Systeme wie 2D-Kameras oder Fingerabdrucksensoren konnten überlistet werden“, sagt Peter Laackmann, Sicherheitsstratege des Bereichs digitale Sicherheitslösungen beim Münchner Chiphersteller Infineon. „Neuere Verfahren wie die dreidimensionale Gesichtserkennung bieten weitaus höhere Sicherheit.“ Doch hundertprozentig lässt sich diese mit keinem System garantieren.

Erst Ende vergangenen Jahres tricksten Hacker des Chaos Computer Clubs (CCC) einen Sensor aus, der die Venenstruktur unter der Hand erkennt und zuordnen kann, auch wenn es sich aus Sicht von Experten um ein veraltetes Gerät gehandelt hatte, das nicht auf dem neuesten Stand der Technik war.

Biometrische Authentifizierungsverfahren finden in Deutschland immer mehr Anklang, denn sie versprechen Komfort und Sicherheit. Fast 90 Prozent der Bundesbürger würden etwa bargeldloses Bezahlungen per Fingerabdruck autorisieren, hat der Digitalverband Bitkom in einer Umfrage ermittelt. „Im Vorjahr waren es erst 80 Prozent“, teilte der Verband mit.

Bezahlverfahren wie Apple Pay, Google Pay oder in Banken-Apps setzen längst auf eine biometrische Freigabe der Transaktionen.

Für die Industrie ist es zudem ein wichtiges Wachstumsfeld. Dieselben Sensoren, die Unternehmen wie Osram und Infineon unter anderem für das autonome Fahren entwickeln, werden zunehmend auch für biometrische Verfahren in Handys oder Laptops verbaut. Das darauf spezialisierte Marktforschungsunternehmen Acuity Market Intelligence geht davon aus, dass sich die weltweiten Umsätze mit biometrischen mobilen Anwendungen von derzeit rund 26 Milliarden US-Dollar bis 2022 nahezu verdoppeln werden. Darin sind Umsätze mit Hardware sowie Software enthalten.

Und die Sensoren können mehr messen als Fingerabdrücke, Gesichter und Augen. Längst können sie auch Menschen anhand ihres Gangs oder ihrer Bewegungen identifizieren. Besagte Venenscanner wiederum erkennen mittlerweile auch, ob Blut durch diese Venen fließt, oder ob ihnen jemand eine leblose Handattrappe hinhält. „Es sind alle körperlichen Merkmale erforscht und zumindest versuchsweise auch erfasst“, sagt Florian Kirchbuchner, Leiter der Abteilung Smart Living & Biometric Technologies beim Fraunhofer-Institut für Grafische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt.

Auf diese Weise lassen sich Menschen im Idealfall eindeutig identifizieren. Ein Beispiel könnten Mitarbeiter einer Firma sein, die einmal am Gang erkannt, Zugang zu ihrem Arbeitsplatz erhalten. Die technische Sicherheit lässt sich noch erhöhen, indem verschiedene Verfahren miteinander kombiniert werden.

Doch die dabei anfallenden Daten sind sensibel. „Mit den so gewonnenen Bewegungsmustern lassen sich auch Rückschlüsse auf unser Verhalten, unsere Vorlieben, oder sogar unsere Emotionen ziehen“, sagt Kirchbuchner. Vor allem dann, wenn solche Techniken zu Hause installiert werden, sei es zum Schutz vor Einbrechern oder zu medizinischen Zwecken, etwa zur Überwachung von pflegebedürftigen Bewohnern.

Der Schutz dieser Daten müsse gewährleistet sein, sagt Kirchbuchner. Eine wichtige Maßnahme sei etwa, keine Rohdaten zu speichern, also keine Fotos oder Audioaufnahmen der Stimme. Apple etwa speichert bei seinen „TouchID“-System keine Bilder der Fingerabdrücke, sondern lediglich mathematische Darstellungen davon. Ein tatsächlicher Fingerabdruck kann aus diesen Daten nicht hergeleitet werden. Selbst wenn die Daten gehackt würden, wäre damit eine Identifizierung des Nutzers nicht möglich.

Mit solchen Maßnahmen dürfte die Akzeptanz biometrischer Verfahren weiter zunehmen. Die Hardware liegt vor. Bei der Entwicklung der Software hingegen, sagt Kirchbuchner, stünden Forschung und Industrie noch vor großen Herausforderungen.

(dpa)
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