Hacker legen Webseiten belgischer Zeitung lahm

Brüssel · Nach der Attacke auf den Fernsehsender TV5 Monde ist nun die Zeitung Le Soir Hackern zum Opfer gefallen. EU-Kommissar Günther Oettinger fordert eine bessere Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstatten bei der Netzsicherheit.

Am Sonntagabend wurden die Bildschirme schwarz. Die Webseiten der belgischen Tageszeitung "Le Soir" waren gehackt worden. "Um zu verhindern, dass Piraten von außen dort Botschaften platzieren, haben wir alle Inhalte vom Netz genommen", berichtete der IT-Chef der Brüsseler Mediengruppe Rossel, bei der "Le Soir" erscheint, Pascal Van Der Biest. Nur wenige Tage nach dem Cyber-Anschlag auf den französischen Sender TV5 Monde, bei dem auch das Fernsehprogramm stundenlang unterbrochen wurde, sind die Netzsicherheitsexperten alarmiert.

Während in Paris von islamistischen IS-Milizen angeheuerte Söldner die Attacke verübten, blieb in Brüssel bis zum Montag unklar, wer hinter der Aktion steckte. Nur Stunden vor dem Erlöschen des Internet-Auftrittes der belgischen Zeitung war ein Interview mit dem EU-Kommissar Günther Oettinger bekannt geworden, in dem er zu den Vorgängen bei TV5 Monde sagte: "Wir schauen, ob es überhaupt die erste Attacke dieser Art in Europa war, das ist ja noch völlig unklar." Kurz darauf war offensichtlich: Europa ist zum Ziel von Cyber-Angriffen geworden. Die bisherigen Gegenmaßnahmen reichen nicht aus. Dabei hatte die Kommission schon vor zwei Jahren ein Gesetzespaket vorgelegt, das unter anderem alle 28 Mitgliedstaaten verpflichten sollte, Hacker-Angriffe auf Banken, Transport- und Energieunternehmen sowie Internetkonzerne und Behörden zu melden. Doch die Bereitschaft der Regierungen, rund 44 000 europäische Großbetriebe in einen solchen Verbund einzubringen, ist gering. "Schon seit zwölf Monaten liegt der Richtlinienentwurf zu Netzwerk- und IT-Sicherheit den zuständigen Ministern vor", betonte gestern der binnenmarktpolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion, Andreas Schwab (CDU ). "Die Mitgliedstaaten konnten sich nicht darauf verständigen, gemeinsame Sicherheitsstandards zu schaffen und diese auch gemeinsam zu kontrollieren."

Dass das überfällig ist, hatte nicht zuletzt die Übung "Cyber Europe 2014" gezeigt, bei der im Oktober 400 Fachleute von Netzsicherheitsbehörden, nationalen IT-Notfallteams, Ministerien, Telekommunikations- und Energieunternehmen Attacken simuliert hatten. Die Bilanz der EU-Agentur für Netz- und Informationssicherheit listet die Defizite auf: Zwar gibt es überall nationale Krisenstäbe, deren Aufgabenstellung und Erfahrungslevel sind aber völlig unterschiedlich. Zudem herrscht ein eklatanter Abstimmungsmangel zwischen öffentlichen und privaten Stellen.

Ob die Anschläge auf TV5 Monde und "Le Soir" die Bereitschaft zu mehr Zusammenarbeit vergrößert haben, ist bisher nicht erkennbar. Oettinger will jedenfalls prüfen, ob die Liste der Unternehmen, die künftig über Web-Anschläge informieren sollen, ausgeweitet werden muss.

Meinung:

Sicher unsicher

Von unserem Korrespondenten Detlef Drewes

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik schickte gestern drei Warnmeldungen wegen Netzattacken raus. Der sogenannte Sicherheitstacho des Internet-Providers T-Online listet allein im März fünf Millionen Hacker-Angriffe auf. Und in Brüssel tut man so, als müsse man erst noch zählen, wie oft Hacker das Netz unsicher machen. Das ist - bei allem Respekt - naiv. Die gegenseitige Information der 28 Mitgliedstaaten sollte der Normalfall sein. Weil man sonst den Anschluss an die Kriegsführung von Terroristen und Cyber-Söldnern verliert. Dass es bisher nicht zu wirklichen Schäden durch Attacken auf die Lebensadern der Industriestaaten gekommen ist, hat mit dem Schutz zu tun, den diese bereits installiert haben. Für alle zugänglich gemacht wurde er nicht. Das Problembewusstsein scheint nicht einmal innerhalb des Binnenmarktes ausgeprägt genug zu sein, um egozentrische Einwände überwinden zu können. Viele Betroffene fürchten Nachteile, wenn bekannt wird, dass sie Opfer von Hackern geworden sind. Das darf nicht so weitergehen.

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