Grenzenloses Telefonieren

Brüssel · Das Hin und Her der EU-Kommission in Sachen Roaming-Gebühren soll nun ein Ende haben. Die EU-Behörde legte gestern einen neuen Vorschlag vor, der den Wegfall der Zusatzauslandskosten besiegeln soll. Doch auch er hat einen Haken.

 Wer im EU-Ausland telefoniert, muss nach Plänen der EU-Kommission künftig keine Zusatzkosten mehr zahlen.

Wer im EU-Ausland telefoniert, muss nach Plänen der EU-Kommission künftig keine Zusatzkosten mehr zahlen.

Foto: Wüstenhagen/dpa

Die EU-Kommission hat eine Kehrtwende vollführt: Die Behörde präsentierte gestern einen Vorschlag, nach dem die Zusatzkosten fürs Telefonieren und Surfen im mobilen Internet im EU-Ausland komplett entfallen sollen. Vor gerade einmal zwei Wochen gab die EU-Kommission noch ihren umstrittenen Vorschlag ab, nach dem der Wegfall der sogenannten Roaming-Gebühren zeitlich begrenzt werden sollte. Günther Oettinger , der zuständige Kommissar für Telekommunikation sagte gestern: "Am 15. Juli nächsten Jahres soll die Roaming-Gebühr ein Ende haben", erklärte der zuständige . Und zwar restlos: "Wir haben entschieden, dass es keine Einschränkung geben wird", ergänzte Vizepräsident Andrus Ansip .

Stattdessen, so versprach Ansip, solle jeder, der in einem Mitgliedstaat lebt oder "feste Verbindungen" zu diesem unterhält, über den heimischen Netzanbieter auch im Ausland zu denselben Konditionen wie zu Hause telefonieren, Kurznachrichten versenden und das mobile Internet nutzen dürfen.

Das hatte sich Anfang September noch ganz anders angehört. Damals schlug die EU-Kommission vor, die sogenannten Roaming-Gebühren lediglich für 90 Tage pro Jahr außer Kraft zu setzen, um Missbrauch zu verhindern.

Der Vorschlag stieß auf großen Widerstand bei Verbraucherzentralen . Auch im Europäischen Parlament wurde der Vorstoß scharf kritisiert. Nur wenige Tage später ordnete Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, das Konzept wieder zurückzuziehen und versprach eine Neuauflage.

Anbieter bitten zur Kasse

Doch auch dieses Papier hat einen Haken: So ist nach wie vor ein Mechanismus vorgesehen, der die Ausnutzung der geplanten Gebührenfreiheit im Ausland verhindern soll. So dürfen nach dem Vorschlag der EU-Kommission Netzanbieter ihre Kunden dennoch zur Kasse bitten, wenn ein Missbrauch vorliegt. Dies sei etwa dann der Fall, wenn ein Verbraucher seine SIM-Karte mehr im Ausland als im heimischen Netz verwende. Ebenfalls des "Verdachts des Missbrauchs" schuldig mache sich, wer mehrere SIM-Karten besitze und diese verstärkt im Ausland nutze.

Damit will die EU-Behörde vor allem dem Handel mit günstigen Telefonspeicherkarten aus Mitgliedstaaten mit niedrigen Tarifen einen Riegel vorschieben. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten groß. So könne ein Nutzer in Finnland für einen Paketpreis von 35 Euro einhundert Mal so viel Download-Volumen kaufen als ein Verbraucher in Ungarn, führte Kommissionsvize Ansip aus.

Dennoch werden erste Befürchtungen laut: "Oettinger delegiert die Kontrolle über Roaming-Gebühren an die Telekommunikationsanbieter und überlässt es dem Markt, die Regeln zu setzen", monierte der Grünen-Europaabgeordnete Michel Reimon. Tatsächlich haben Verbraucher nur wenige Möglichkeiten, sich gegen Zusatzgebühren der Netzanbieter zu wehren. Sie könnten sich in einem solchen Fall lediglich über ein Beschwerdeformular an ihre Anbieter wenden. Erst, wenn man sich dann immer noch nicht einig wird, soll eine nationale Behörde eingeschaltet werden. Bis zum 15. Dezember will die Kommission die neue Regelung verabschieden.

Meinung:

Unnötig kompliziert

Von unserer Korrespondentin Mirjam Moll

Der neue Vorschlag der EU-Kommission soll das große Versprechen der Gemeinschaft an ihre Bürger endlich Wirklichkeit werden lassen: Im nächsten Sommer dürfen Verbraucher ohne Zusatzgebühren im Ausland telefonieren, SMS verschicken oder im mobilen Internet surfen. An sich begrüßenswert. Doch mit dem Anti-Missbrauchsschutz, den die EU-Behörde vorsieht, dürften sich Verbraucherzentralen kaum zufriedengeben.

Jeder, der sich schon einmal über ein Onlineformular an seinen Netzanbieter wenden musste, weiß, wie langwierig solche Prozesse sind. Wer in solch einem Fall keinen langen Atem hat, zieht meist den Kürzeren.

Zwar ist es nachvollziehbar, dass angesichts der sehr unterschiedlichen Preisstruktur in der EU Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die Ausnutzung der neuen Kostenfreiheit im Ausland zu verhindern. Dennoch muss die Kommission jene Erwartung erfüllen, die sie mit ihrem Versprechen selbst geweckt hat. Dazu braucht es einen Rahmen, der sehr eng gesteckt ist, in dem die Unternehmen ihre Kunden zur Kasse bitten dürfen. Und eine praktikable Lösung, wie Missbrauch definiert und beanstandet werden kann - auch für die Unternehmen. Dass das mit den Bedingungen, die die Behörde gestern vorgezeichnete, gelingen kann, scheint fragwürdig.

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