Cloud Gaming Die wolkige Zukunft der Videospiele

Köln · Google tritt mit gestreamten Spielen aus der Cloud gegen die nächste Konsolengeneration von Sony und Microsoft an – Ausgang offen.

 Für Googles Streamingdienst Stadia brauchen Kunden nur einen Controller und ein beliebiges Gerät mit Bildschirm und Internetzugang.

Für Googles Streamingdienst Stadia brauchen Kunden nur einen Controller und ein beliebiges Gerät mit Bildschirm und Internetzugang.

Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Die Konsole ist tot, der Spielerechner auch. In Zukunft laufen Videospiele in Rechenzentren, Zocker streamen nur noch das Bild. Und gegezockt wird auf allem, was einen Bildschirm und einen Internetzugang hat. Das zumindest ist die Vision mehrerer Anbieter – allen voran Google – und einer der Trends der diesjährigen Gamescom in Köln.

Wettstreit der Anbieter und Technologien

Google stellt dort seinen Dienst Stadia vor, Sony hat Playstation Now und Microsoft arbeitet für seine Konsole Xbox an der Xcloud. Der Grafikchip-Hersteller Nvidia experimentiert ebenfalls mit der Technologie. Der Spieleanbieter Blade vermietet unter dem Namen Shadow virtuelle Computer in einem Rechenzentrum. Auch die Telekom und der Gerätehersteller Medion wollen eigene Dienste anbieten.

Streaming an sich ist keine neue Idee, bei Videos und Musik ist die Technologie seit Langem etabliert. Doch die Macht, mit der Google Stadia bei Spielen in den Markt schiebt, zeigt: Hier ist ein Wendepunkt erreicht. Während die Nachfolger der erfolgreichen, aber betagten Konsolen Playstation 4 und Xbox One noch ein gutes Jahr entfernt sind, winkt Spielern eine Zukunft vielleicht ganz ohne teure Konsolen oder Computer.

Für Zocker ist das eine etwas schwierige Zeit. Sollen sie auf die neue Technik setzen oder auf die neuen Konsolen warten? Über Sonys und Microsofts neue Konsolen Playstation 5 und Project Scarlett, so der Arbeitstitel der nächsten Xbox, ist nicht viel bekannt. Was sicher sein dürfte: Auch die nächste Konsolengeneration wird stark auf Onlinedienste setzen und auf die Spielekataloge und Streamingangebote ihrer Hersteller zurückgreifen. Stadia wird es zumindest auf der Playstation wohl nicht geben.

Die Hardware der kommenden Konsolengeneration soll neue Maßstäbe setzen. „Die Hersteller werden die neuen Konsolen zukunftssicherer machen als die alten Modelle“, ist sich Analyst Liam Hall vom Marktforscher IDC sicher. Jetzt schon als sicher geltende Funktionen wie 8K-Auflösung (8192 mal 4320 Pixel), die neue Grafiktechnik Raytracing, die etwa Licht und Schatten besser darstellen soll, oder schnelle Chipspeicher werden sich über die Jahre zum neuen Standard entwickeln.

Stadias Vision ist derweil, dass Spieler immer und überall auf allen Geräten spielen können sollen, erklärt ein Google-Sprecher auf der Gamescom. Tatsächlich fühlt sich das Spielerlebnis von Stadia schon sehr fertig an. Grafisch anspruchsvolle Actiontitel wie „Doom Eternal“ oder „Mortal Kombat“ laufen in einem Rechenzentrum in München und landen flüssig im Browser eines Tablets auf dem Kölner Messegelände.

Microsofts Xcloud für die Xbox gibt sich da etwas zurückhaltender. Im Herbst soll ein erster öffentlicher Test des Angebots starten. Als Konsolenhersteller setzt Microsoft auf eine geteilte Strategie: Wer keine Konsole hat, nutzt das reine Streamingangebot. Dann läuft das jeweilige Spiel auf einer Xbox im Rechenzentrum. Wer schon eine Gerät hat, kann es dagegen selbst als Streaming-Zentrale benutzen und Spiele von dort aus zum Smartphone oder Tablet-Computer schicken. Das soll kostenlos möglich sein.

Abonnement oder teure Geräte

Die einen setzen also komplett auf Streaming und die Cloud, die anderen sehen die neue Technolgie eher als Zusatzangebot. Für Verbraucher scheint das Angebot zunächst einmal attraktiv: Wer rein auf die Cloud setzt, spart sich teure Investitionen in Rechner und andere Geräte, die in der Lage sind, moderne, grafisch anspruchsvolle Spiele flüssig darzustellen. Dienste wie Stadia laufen auch auf älteren Computern, Tablets oder sogar Smartphones.

Statt einer großen Investition gibt es also ein Spiele-Abonnement. Was das im Monat kosten soll, da sucht die Branche mit wenigen Ausnahmen noch nach Antworten. Nur Google hat sich bereits auf ein Modell festgelegt. Wenn Stadia im kommenden Jahr startet, ist das Basisangebot kostenlos, Nutzer müssen aber die einzelnen Spiele kaufen. Wer mehr Auflösung, Raumklang oder kostenlosen Zugang zu ausgewählten Titeln will, soll 10 Euro im Monat zahlen.

Von einem Netflix für Spiele könne bei Stadia also nicht die Rede sein, sagt Liam Hall. Kunden erhielten nur das, wofür sie bezahlen. Deswegen und auch wegen vieler anderer offener Fragen sieht der Analyst der britischen Marktforschungsfirma IDC das Cloud Gaming noch ganz am Anfang.

Was passiert, wenn Anbieter die Lizenz für einzelne Spiele verlieren? Was, wenn sie den Betrieb ganz einstellen? Google hat in der Vergangenheit oft kurzen Prozess mit Diensten gemacht, die nicht so liefen wie gewünscht. Die Liste eingestellter Angebote ist lang, entsprechend groß seien die Sorgen vieler Spieler.

Auf lange Sicht sei Cloud Gaming eher ein Angebot für Durchschnittsspieler, sagt Hall. Sie könnten auch Toptitel in voller Grafikpracht ausprobieren, ohne erst einen teuren Computer kaufen zu müssen. Multiplayer-Partien, bei denen mehrere menschliche Zocker gegeneinander antreten,  sieht Hall auf Diensten wie Stadia, Geforce Now und Co. aber noch nicht. Das verhindere schon die noch immer lückenhafte Versorgung mit schnellen und zuverlässigen Breitbandanschlüssen. Zwischen 10 und 35 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) muss der hauseigene Internetanschluss laut Google für Stadia stabil schaffen. Das sei längst nicht überall möglich.

Offene Fragen

Was bleibt, ist auch nach dieser Gamescom eine Reihe offener Fragen. Für Kunden muss das nicht unbedingt schlimm sein. Warum nicht einmal die neuen Cloud-Gaming-Dienste ausprobieren? Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat keine Berührungsängste. „Informieren Sie sich gut und nutzen Sie die kostenlosen Testphasen“, lautet sein Rat. So lasse sich ausprobieren, mit welchem Anbieter die eigenen Geräte gut zusammenarbeiten. Bevor Kunden Geld in eine Spielebibliothek bei einem neuen Anbieter investieren, sei es jedoch wichtig, die Geschäftsbedingungen der Anbieter zu studieren, nicht nur wegen der Datenschutzbestimmungen. Google Stadia will etwa die Mitnahme von Spieldaten und -ständen zu anderen Anbietern erlauben. So bliebe bei einer Trennung vom Dienstleister immerhin der Spielfortschritt erhalten. Wie das technisch funktionieren soll, ist bisher allerdings unklar.

 Microsoft und Sony planen für ihre Marken Playstation und Xbox eigene Angebote für gestreamte Spiele.

Microsoft und Sony planen für ihre Marken Playstation und Xbox eigene Angebote für gestreamte Spiele.

Foto: dpa/Michael Nelson

Das gilt auch für die Frage, ob die Zahl neuer Anbieter zu einer neuen Flut an Exklusiv-Deals führt – so wie Netflix, Amazon und Co. Serien haben, die es nur dort gibt. Braucht es in Zukunft also gleich mehrere Abos, um alle neuen Hits spielen zu können? Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbands Game, glaubt nicht daran: „Die Entwickler haben ein Interesse daran, ihre Spiele möglichst vielen Kunden zugänglich zu machen.“

(dpa)
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