Kryptowährungen Gefährlicher Goldrausch im Internet

Saarbrücken · Das Internet ist im Bitcoin-Fieber. Doch nach dem Höhenflug der digitalen Währung könnte ein ebenso tiefer Fall drohen.

 Die Internet-Währung Bitcoin wird von Computern erzeugt. Die Rechner verbrauchen bei diesem Prozess gewaltige Mengen elektrischer Energie.

Die Internet-Währung Bitcoin wird von Computern erzeugt. Die Rechner verbrauchen bei diesem Prozess gewaltige Mengen elektrischer Energie.

Foto: dpa/Jens Kalaene

„Gold! Gold! Gold! Gold!“ So titelte die Tageszeitung Seattle Post-Intelligencer am 17. Juli 1897 und löste damit eine Massenhysterie aus, wie sie die Welt bis dato nicht gesehen hatte. 120 Jahre später sind es die Kryptowährungen, die die Herzen der Glücksritter weltweit höher schlagen lassen.

Mehr als 100 000 Goldsucher aus aller Welt machten sich 1897 auf in eine der entlegensten und lebensfeindlichsten Regionen der Erde, um in der kanadischen Einöde das schnelle Geld zu machen. Die meisten stammten aus bürgerlichen Verhältnissen und waren auf das Leben in der Wildnis nicht im Geringsten vorbereitet. Als „Klondike-Goldrausch“ ging das tiefgreifende Ereignis, das nur wenige reich gemacht und viele ins Elend gestürzt hat, in die Geschichte ein.

Mehr als ein Jahrhundert danach erlebt die Welt ein vergleichbares Phänomen. Diesmal geht es nicht um glitzernde Edelmetalle, sondern um sogenannte Kryptowährungen wie Bitcoin. Und auch dieses Mal ist nicht absehbar, wer letzten Endes von der Euphorie profitieren wird.

Mittlerweile wird längst nicht nur mit Bitcoin gehandelt: Die Marktanalyseseite coinmarketcap.com listet aktuell etwa 1400 Kryptowährungen mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von rund 420 Milliarden Euro – und fast täglich kommen neue dazu. Doch was ist eine Kryptowährung überhaupt und wie kann man damit bezahlen? Digitales Geld basiert in der Regel auf einem besonderen Verschlüsselungsprinzip. Laut dem Bundesverband der Verbraucherzentralen werden Kryptowährungen, im Gegensatz zu staatlichen Währungen wie dem Euro, nicht durch eine zentrale Stelle wie der Europäischen Zentralbank, sondern in einem dezentralen Datennetzwerk verwaltet.

Jeder, der das digitale Geld nutzen möchte, kann Teil dieses Netzwerkes werden. Dafür müssen Nutzer ein spezielles Programm installieren. Auf den Computern aller Teilnehmer werden dann sämtliche Transaktionen mittels eines Verschlüsselungsverfahrens, Blockchain genannt, in Datenblocks gesichert. Wer Kryptowährungen kauft, erwirbt also im Grunde nur den Schlüssel, um an einen Teil der Datenblocks zu kommen. Der Kurs richtet sich dabei ausschließlich nach Angebot und Nachfrage. Da jeder Teilnehmer die Datenblocks auf seinem Rechner gespeichert hat, ist es beinahe unmöglich, Kryptowährungen unbemerkt zu fälschen.

In Datenblocks werden Kryptowährungen aber nicht nur gespeichert, sondern auch neu erschaffen. In diesem Fall wird – ganz wie bei den Goldsuchern am Klondike – von „Mining“ (schürfen) gesprochen. Laut Harald Weiss, Redakteur beim Fachmagazin Chip.de, können alle Mitglieder des Netzwerkes an diesem Prozess teilnehmen und damit selbst Mineure werden. Dazu werden Computern Rechenaufgaben gegeben. Werden diese gelöst, wird der Besitzer in der jeweiligen Kryptowährung entlohnt. Diese Aufgaben seien allerdings oft so komplex, dass gängige PCs kaum nennenswerte Beträge abwerfen würden. Stattdessen habe sich bereits eine eigene Industrie entwickelt, die spezialisierte PCs zum Schürfen von Kryptowährungen verkaufe. Die Preise lägen allerdings oft über der 10-000-Euro-Marke, so der IT-Experte. Um zu verhindern, dass eine Währung unkontrolliert vervielfältigt und dadurch entwertet wird, ist die Gesamtmenge der digitalen Münzen laut Weiss in der Menge begrenzt. Je näher die Zahl der vorhandenen Geldeinheiten an diesen Wert herankommt, desto schwieriger werden auch die Aufgaben, die die Rechner zum Schürfen lösen müssen.

Viele setzen daher auf PCs im Eigenbau, was bereits jetzt Auswirkungen auf den Hardware-Markt hat. So haben sich die Preise für Grafikkarten, die normalerweise hauptsächlich für die Darstellung von Videospielen genutzt werden, zwischenzeitlich fast verdoppelt. Laut Florian Klein vom Fachmagazin Gamestar eignen sich solche Karten nämlich auch für die Rechenaufgaben, die beim Mining gelöst werden müssen.

Hardware-Händlern zufolge ist es die anhaltende Aufregung um die Kryptowährungen, die die Karten aktuell so begehrt und damit teuer macht. Während dieser Trend in erster Linie Videospieler stören und Hardware-Hersteller frohlocken lassen dürfte, hat ein anderes Symptom des Mining-Booms deutlich gravierendere Folgen. Denn Grafikkarten und damit auch Mining-PCs verbrauchen unter Last sehr viel Strom. Eine gängige Karte kann 350 Watt und mehr verbrauchen, in Mining-PCs sind mitunter zehn oder mehr dieser Karten verbaut.

Laut dem Marktforschungsunternehmen Digiconomist werden aktuell allein für Bitcoin weltweit 32 Terawattstunden Strom pro Jahr verbraucht. Zum Vergleich: Das kürzlich geschlossene saarländische Kohlekraftwerk Ensdorf speiste in seinen Hochzeiten laut Betreiber rund zwei Terawattstunden pro Jahr ins Stromnetz ein. Wie die britische Fachzeitschrift Power Compare berichtet, liegt der Bedarf für Bitcoin damit über dem Einzelverbrauch von 159 Staaten, etwa über dem von Irland oder Nigeria. Schätzungen gehen davon aus, dass er im Sommer 2018 den Verbrauch der gesamten USA übersteigen könnte. Da andere Kryptowährungen auf etwas anderen technologischen Grundlagen beruhen, können sie laut Power Compare sogar noch weit mehr Strom verbrauchen als Bitcoin, erklären die Experten.

Ob Kryptowährungen tatsächlich als vollwertige Zahlungsmittel betrachtet werden können, ist seit längerer Zeit umstritten. Es gebe gravierende Unterschiede zu staatlichen Währungen, sagt Harald Weiss. Zwar könne man mit Bitcoin bezahlen und sie in andere Währungen umtauschen, allerdings hätten Kryptowährungen, im Gegensatz zu dem Geld, das staatliche Banken herausgeben, keinen materiellen Gegenwert.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband teilt diese Einschätzung: „Wer Kryptowährungen kauft, setzt rein auf das Vertrauen, dass jemand anderes sie akzeptieren wird“. Einen Rechtsanspruch darauf hätten Käufer nicht. Daher müsse sich jeder, der Kryptowährungen als Kapitalanlage betrachtet, über das Risiko eines Totalverlustes im Klaren sein. Die Bundesbank hat in ähnlicher Weise Stellung bezogen: „Wer meint, Bitcoin wäre so sicher wie der Euro oder der Dollar, muss dafür die Verantwortung tragen“.

Einige Unternehmen, die Bitcoin ursprünglich als Zahlungsmittel akzeptiert hatten, springen bereits ab. So hat der Videospieleentwickler Valve, der Bitcoin auf seiner Vertriebsplattform Steam als Zahlungsmittel erlaubt hatte, diesen Schritt nun revidiert. „Der Wert von Bitcoin unterlag schon immer Schwankungen, aber das Maß hat in den vergangenen Monaten extrem zugenommen“, heißt es in der Stellungnahme des Konzerns. Kostete eine Bitcoin Anfang 2016 noch 400 Euro, so schnellte der Kurs zwischenzeitlich auf über 17 000 Euro. „Deshalb funktioniert Bitcoin auch als Zahlungsmittel für den Alltag nicht. Niemand weiß, wie viel sie morgen wert ist“, sagt der Kölner Vermögensverwalter Uwe Zimmer.

Auch das haben die digitalen Schürfer mit ihren Vorbildern am Klondike gemein: Wegen den gewaltigen Funden in Kanada brach der Goldpreis zunächst weltweit ein. Für die meisten Glücksritter war das gleichgültig, sie hatten ohnehin nichts gefunden.

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