Gegen Zoom-Bombing Ein Türschloss für den Klassenchat
Mainburg/Florsbach · Mit wenigen Klicks können Lehrer dafür sorgen, dass Dritte keinen Zugriff zur Unterrichtsstunde per Videochat haben.
Es war eine Situation, wie sie derzeit täglich tausendfach in Deutschland vorkommt: Eine Grundschulklasse ist per Videokonferenz zum Distanzunterricht zusammengeschaltet. Doch plötzlich sehen die Kinder Nacktbilder oder Pornografie auf ihren Bildschirmen. Solche Fälle, wie sie sich kürzlich in Bayern, Hessen und Berlin ereignet haben, scheinen bislang noch selten zu sein. Dennoch sind Fachleute besorgt.
Denn die Folgen für die Kinder sind gravierend. „Egal, wie aufgeschlossen ein Kind erzogen ist – es ist eine Schocksituation, wenn es im Schonraum Schule, im Schonraum Distanzunterricht, im Schonraum der Gruppe, die es kennt, plötzlich eine solche Begegnung hat“, sagt die Präsidentin des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann. „Das ist eine neue Gefahr für den Unterricht.“
Der Polizei sind Fälle von gesprengten Videokonferenzen, sogenannter Zoom-Bombings, bekannt. Ähnliches habe es schon beim ersten Lockdown gegeben, sagt Ludwig Waldinger vom Bayerischen Landeskriminalamt. Oft liege das Problem daran, dass die Einstellungen nicht richtig vorgenommen wurden und dadurch der Klassenchat öffentlich war. Dann käme es vor, dass Fremde versehentlich in den Unterrichtsstunden landen, sie aber meist direkt wieder verließen.
In einigen Fällen käme es jedoch anders. So bekam im niederbayerischen Mainburg jüngst eine Achtjährige während des Online-Unterrichts Bilder eines nackten Mannes eingeblendet. Im hessischen Florstadt zeigte ein Unbekannter einer zweiten Klasse pornografisches Material. In Berlin sahen Drittklässler minutenlang einen Pornofilm.
„Das ist ein neues Phänomen“, urteilt Christian Schorr von der Zentralstelle Cybercrime Bayern. Bei gesprengten Videokonferenzen seien es häufig Täter aus dem Umfeld der Betroffenen, im Schulumfeld oft auch andere Schüler, die sich einen schlechten Scherz erlaubten. Wenn Kinder mit sexuellen Inhalten konfrontiert würden, sprächen Juristen bereits von sexuellem Missbrauch. Ob die Polizei den Täter erwische, hänge davon ab, welche Zugriffsdateien vorhanden seien, erläutert Schorr.
Gerade bei den Videokonferenzprogrammen herrscht an Schulen in Deutschland ein Flickenteppich. Vielerorts haben die Schulen oder einzelne Lehrer zu Beginn der Pandemie für den Distanzunterricht auf individuell gewählte Lösungen zurückgegriffen. Nicht bei allen ist die Datensicherheit gewährleistet. „Bei vielen Programmen, die Schulen nutzen, reicht es, wenn Dritte den Link kennen“, berichtet Schorr. Wenn Fremde mit einem Klick in den Chat gelangten, sei die Versuchung, Unfug zu treiben, groß. Lehrerverbände fordern daher schon seit Längerem datenschutzkonforme, rechtssichere und geschützte Plattformen von den Kultusministerien.
Doch wie können Lehrer Fremde aus dem Klassenchat aussperren und unerwünschtes Zoom-Bombing vermeiden? Die meisten Videochatprogramme bieten dazu verschiedene Möglichkeiten an. So können zum Beispiel bei der Software Zoom Chats mit einem Passwort geschützt werden, erklärt das Computerportal heise.de. Zudem können Moderatoren einer Konferenz einen Warteraum vorschalten, sodass Teilnehmer nicht direkt beitreten. Der Moderator müsse neue Nutzer erst freischalten. Wenn die Besprechung bereits gestartet sei und alle Teilnehmer im Raum seien, könne der Moderator die Konferenz für neue Nutzer sperren.
Die Computer-Spezialisten von heise.de empfehlen zudem, die Teilnehmerliste regelmäßig während der laufenden Konferenz zu kontrollieren. Sollte sich eine fremde Person in den Chat verirren, könne sie vom Moderator mit wenigen Klicks entfernt werden. Ähnliche Funktionen bieten eigenen Angaben zufolge auch die Pendants „Teams“ und „Skype for Business“ von Microsoft sowie die Software „Gotomeeting“ an. So kann Fremden im Voraus der Zugang zu Videochats verwehrt werden.