Flüchtling verliert gegen Facebook

Würzburg · Ein junger Syrer wollte das soziale Netzwerk verpflichten, ein manipuliertes Bild und Lügen über ihn aktiv zu suchen und zu löschen. Nun unterlag er vor dem Landgericht Würzburg. Facebook könnte aber weiterhin Ärger drohen.

 Anas M. (links) und sein Anwalt Chan-jo Jun beim Prozess gegen Facebook in Würzburg.

Anas M. (links) und sein Anwalt Chan-jo Jun beim Prozess gegen Facebook in Würzburg.

Foto: dpa

Facebook muss auf seiner Internetseite weiterhin nicht aktiv nach rechtswidrigen Inhalten suchen und sie löschen. Ein syrischer Flüchtling, dessen Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel für Hasskommentare und falsche Anschuldigungen missbraucht wurde, unterlag mit einem entsprechenden Antrag auf eine einstweilige Verfügung. Der 19-jährige syrische Flüchtling Anas M. muss nach dem Urteil des Landgerichts Würzburg weiterhin selbst verleumderische Beiträge gegen ihn suchen und sie Facebook melden.

Fotomontagen mit dem Merkel-Selfie stellten Anas M. fälschlicherweise als Terrorist und Attentäter dar. Sie brachten ihn mit dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt und der Attacke auf einen Obdachlosen in München in Verbindung. Der Flüchtling forderte deshalb von Facebook, nicht nur den Originalbeitrag, sondern auch alle Duplikate zu löschen. Weil der Konzern das nicht gänzlich tat, klagte der Flüchtling auf Unterlassung.

Facebook habe sich die Verleumdungen von Dritten nicht zu eigen gemacht und könne deshalb nicht zu einer Unterlassung gezwungen werden, begründete der Vorsitzende Richter der Ersten Zivilkammer sein Urteil am Dienstag.

Mit dem Prozess gegen Facebook ist trotz des Urteils noch nichts endgültig entschieden. Der Richter machte deutlich, dass grundsätzlich die Pflicht von Facebook bestehe, Beiträge zu suchen und zu löschen, wenn sie das Persönlichkeitsrecht schwer verletzen und "wenn es technisch ohne großen Aufwand realisierbar ist". Die Detailantworten auf diese Fragen könnten allerdings nicht in einem Eilverfahren gegeben werden, sondern gehörten in eine Hauptverhandlung mit Gutachter-Stellungnahmen.

Ob es zu einem Hauptsacheverfahren kommen wird, stand am Dienstagnachmittag nicht fest. Anas M. war am Nachmittag nicht zu erreichen. Klar war lediglich, dass sein Anwalt, der Würzburger IT-Jurist Chan-jo Jun, sein Mandat in der Sache abgeben wird. Das habe er mit seiner Familie gemeinsam entschieden. Unbekannte hätten ihm Gewalt angedroht, wenn er nicht sofort das Vorgehen gegen Facebook beende, erklärte der Anwalt noch vor dem Verfahren.

Jun sieht nun vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht, zum Beispiel hohe Geldstrafen auszusprechen, da Appelle an die Freiwilligkeit nicht ausreichten. Es müsse Unternehmen wie Facebook finanziell wehtun, geltendes Recht zu verletzen. Damit Facebook nicht weiterhin machen dürfe, was es wolle, brauche es andere Gesetze - auf deutscher wie auf europäischer Ebene.

Facebook betonte in einer ersten Reaktion, man habe schnell den Zugang zu allen korrekt gemeldeten Inhalten blockiert und werde dies auch weiterhin tun. Das Unternehmen verstehe zugleich, dass es für den Flüchtling "eine schwierige Situation" sei.

Der Prozess in Würzburg rückte einmal mehr die Löschpraktiken des Internet-Riesen in den Fokus. Justizminister Heiko Maas (SPD) soll im Auftrag der Koalition soziale Netzwerke wie Facebook notfalls per Gesetz dazu bringen, nach Beschwerden innerhalb von 24 Stunden auf Hetze, Beleidigungen und Lügen zu reagieren. Maas schließt auch Bußgelder nicht aus. Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) strebt eine EU-Richtlinie an, die Facebook und Co. verpflichtet, illegale Inhalte zu löschen, sobald sie darauf aufmerksam gemacht wurden. Dabei setzt sie auf Freiwilligkeit. Die Opposition kritisiert diese Pläne als zu harmlos.

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