Eine Technologie mit Risiken Der Freifahrtschein ins Heimnetzwerk

Ulm · Das sogenannte Dynamische Domain Name System ermöglicht Nutzern Zugriff auf vernetzte Geräte in den eigenen vier Wänden. Fachleute warnen jedoch, dass auch Hacker diese Hintertür nutzen könnten – und raten zur Vorsicht.

 Vernetzte Geräte im Haushalt von außerhalb bedienen zu können ist zwar bequem, birgt aber Risiken.

Vernetzte Geräte im Haushalt von außerhalb bedienen zu können ist zwar bequem, birgt aber Risiken.

Foto: dpa-tmn/Kai Remmers

Von unterwegs das eigene Zuhause zu beobachten, einen privaten Datenspeicher einzurichten, Smart-Home-Geräte zu bedienen oder eine eigene Webseite in Netz zu stellen – das soll das Dynamische DNS (DynDNS) ermöglichen. Privat­anwender können sich damit vieles komfortabler machen. Doch sie erkaufen sich diese Bequemlichkeit mit einer erhöhten Gefahr für die Sicherheit ihres Netzwerks, mahnen Sicherheitsforscher.

Doch zunächst: Was ist DNS? Die Abkürzung steht für „Domain Name System“ oder „Domain Name Service“. „Vereinfacht ausgedrückt ist das DNS ein weltweit verteiltes Verzeichnis von Domainnamen zu IP-Adressen“, erklärt Professor Stefan Wesner von der Universität Ulm. „Da IP-Adressen nur schwer zu merken sind und sich ändern können, werden im DNS-Verzeichnis Namen zu diesen Adressen hinterlegt.“

Dieses System wird oft als Telefonbuch des Internets bezeichnet. So wie einem Namen im Telefonbuch eine Rufnummer zugeordnet wird, ordnet das DNS einem Domainnamen wie www.google.de eine IP-Adresse zu. Eine solche Adresse besteht in der Regel aus vier Zahlengruppen zwischen eins und 255. Über diese Nummern sind Computer und Webseiten eindeutig im Internet zu finden. Erst wenn ein Browser diesen Code kennt, kann er eine Webseite aufrufen. Für die Übermittlung von DNS-Daten sind spezielle Server zuständig. Privatnutzer verwenden in der Regel den DNS-Server ihres Internetanbieters.

Die meisten Nutzer müssen sich über dieses System keine Gedanken machen. Es wird für sie erst relevant, wenn sie auf ihr Heimnetzwerk von unterwegs zugreifen wollen. Denn Internetanbieter wechseln die IP-Adressen ihrer Kunden meist alle 24 Stunden. Der eigene Router, und damit das eigene Netzwerk, ist so im Internet nicht zu finden, es sei denn, ein Nutzer würde sich jeden Tag seine neue IP notieren. Das lässt sich mit einem privaten Telefonanschluss vergleichen, der jeden Tag eine andere Nummer hat.

Ein DynDNS-Server ändert das: „Auf einem solchen Server können Nutzer für ihren Dienst einen Domainnamen – beispielsweise ­meinserver.dyndns-home.com – registrieren“, erklärt Wesner. „Der Server hält die wechselnde IP-Adresse im Auge und aktualisiert sie, damit die Webseite immer über denselben Domainnamen aufgerufen werden kann.“

Wer ein DynDNS eingerichtet hat, kann sich so von jedem Computer, der über einen Internetzugang verfügt, in das heimische Netzwerk einwählen. Dann ist es möglich, jedes an das Netzwerk angeschlossene Gerät fernzusteuern – sofern das Gerät entsprechend eingerichtet ist. „Für Privatnutzer sind IP-Kameras, Netzwerkspeicher oder Smart-Home-Geräte über DynDNS am einfachsten zu bedienen“, sagt Marcus Pritsch von Stiftung Warentest. Eine IP-Kamera wird mit einer eigenen IP-Adresse in das Heimnetzwerk integriert. Per DynDNS kann der Heimbesitzer dann jederzeit einen Blick in die eigenen vier Wände werfen.

Ein Netzwerkspeicher, ein so genanntes Network Attached Storage (NAS, englisch für „netzgebundener Speicher“), ist eine große Festplatte, auf die alle Computer innerhalb eines Netzwerks zugreifen können. Über DynDNS ist der Speicher dann auch von außerhalb zugänglich. Gleiches gilt für Smart-Home-Geräte. In einem Smart Home sind meist Dutzende Geräte miteinander und lassen sich per Smartphone oder Tablet steuern: egal ob Türen, Lampen, Steckdosen, Heizungen, Fenster oder Jalousien. Per DynDNS können Nutzer auch von unterwegs das eigene Zuhause kontrollieren: Die Heizung regulieren, das Licht an- und ausschalten oder Fensterläden öffnen und schließen.

Doch wie kommt man an ein DynDNS? Bei manchen Internet-Anbietern können Kunden eine gleichbleibende, statische IP-Adresse anfordern, müssen dafür jedoch meistens extra zahlen. Auch sind moderne Router immer häufiger in der Lage, selbständig einen DynDNS-Server zu betreiben. Dieser lässt sich dann ohne weitere Kosten einsetzen. Eine dritte Möglichkeit ist, den Dienst eines Drittanbieters in Anspruch zu nehmen. Die Geräte können aber nur dann außerhalb des Heimnetzes genutzt werden, wenn die entsprechenden Dienste im Router freigeschaltet werden.

Ein solcher Eingriff in das eigene Netzwerk ist laut Sicherheitsexperten allerdings für Otto Normalverbraucher nicht zu empfehlen. „Der Router funktioniert wie eine Sicherheitsbarriere zwischen dem Netzwerk und Zugriffen von außen. Um DynDNS zu nutzen, muss ein Nutzer Löcher in diese Schutzwand bohren“, mahnt Stefan Wesner. „Damit sind alle Geräte im Heimnetzwerk einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt.“

Auch Stiftung Warentest warnt PC-Anfänger davor, Türen in das Heimnetzwerk zu öffnen. „Das ist nur etwas technisch versierte Nutzer“, sagt Marcus Pritsch. Markus Jung vom Karlsruher Institut für Technologie schließt sich dem an: „Verbraucher sollten ohne Fachkenntnis besser nichts am eigenen Netzwerk verändern, und es erst recht nicht von außen leichter angreifbar machen“, betont der Wissenschaftler. Seiner Ansicht nach das größte Risiko: „Gerade bei Smart-Home-Geräten, Netzwerkspeichern und IP-Kameras wird die Software oft nicht aktuell gehalten, so dass diese besonders viele Sicherheitslücken aufweisen kann“, ergänzt Jung.

Wer lediglich wichtige Daten unterwegs abrufen will, dem empfiehlt Wesner, einen Anbieter für Online-Speicher, auch Cloud-Speicher genannt, zu nutzen. „Eine solche Online-Festplatte bietet den Vorteil, dass man dort Daten von Zuhause und von unterwegs abspeichern und abrufen kann“, sagt Wesner. Gleichzeitig blieben der eigene Computer und das Heimnetzwerk vor einem Fremdzugriff sicher. „Auch Internet-Dienste wie eine Webseite sollten die meisten Nutzer über einen Drittanbieter betreiben“, rät Wesner. „Neben der erhöhten Sicherheit kann man bei professionellen Anbietern mit weniger Ausfällen und einer besseren Anschlussqualität rechnen.“

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