Datenschützer in Aufruhr Facebook schaut nochmal genauer hin

Menlo Park · Trotz scharfer Kritik von Datenschützern hat der Online-Dienst die automatische Gesichtserkennung wieder in Europa eingeführt.

 Seit Ende April gibt es bei Facebook die automatische Gesichtserkennungsfunktion.

Seit Ende April gibt es bei Facebook die automatische Gesichtserkennungsfunktion.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Pro Tag werden weltweit rund 300 Millionen Fotos bei Facebook veröffentlicht, wie aus einer Statistik des sozialen Netzwerks hervorgeht. Künftig könnte jedes Gesicht auf diesen Fotos und Videos automatisch erkannt werden – egal, ob Freunde oder völlig Fremde sie hochgeladen haben. Denn Facebook startet in Europa einen neuen Anlauf der automatischen Gesichtserkennung. Bereits 2010 hatte der Konzern die Technik weltweit eingeführt. Doch nach massiven Protesten von Datenschützern wurde sie nur zwei Jahre später wieder abgeschafft.

Nun kommt die Funktion zurück. Allerdings anders als bisher gewohnt. Denn Facebook-Nutzer haben jetzt die Wahl. Seit Ende April werden Mitglieder bei der Anmeldung gefragt, ob sie die automatische Gesichtserkennung aktivieren möchten oder nicht. Die Entscheidung ist jedoch nicht endgültig. Wer es sich anders überlegt, der kann seine Entscheidung auch nachträglich in den Einstellungen ändern (Infobox).

Falls Nutzer der neuen Funktion zustimmen sollten, könnten sie zukünftig nicht nur auf dem Schnappschuss, den Freunde auf der Party am vergangenen Wochenende gemacht haben, auftauchen. Sondern theoretisch auch auf Urlaubsfotos von Fremden, auf denen sie zufällig im Hintergrund stehen. Facebook erklärt das Verfahren hinter dem Programm so: Die Gesichtserkennung analysiert einzelne Bildpunkte von Fotos und Videos, in denen Personen bereits markiert worden sind und erstellt ein sogenanntes Template einer Person. Werden nun Fotos oder Videos mit Personen hochgeladen, analysiert die neue Funktion die Gesichter und gleicht sie mit den vorhandenen Templates ab. Erkennt das Programm die Person anhand eines Templates, wird die Person darauf automatisch markiert.

Hat ein Nutzer der Gesichtsanalysefunktion nicht zugestimmt, soll es nach Angaben von Facebook kein Template geben. Wenn ein Nutzer der neuen Funktion erst zustimmt und sie im Nachhinein jedoch wieder ablehnt, werde das Template laut Facebook gelöscht.

Das Unternehmen versucht die neue Gesichtserkennung so vielen  wie möglich schmackhaft zu machen, indem sie die neue Funktion als Vorteil zum Schutz ihrer Mitglieder auslegt. Damit soll etwa auch der Missbrauch von Fotos aufgedeckt werden können. Jährlich werden allein in Deutschland Tausende falsche Nutzerprofile (Fake-Profile) erstellt – sowohl auf Online-Partnerbörsen, als auch in sozialen Netzwerken wie Facebook. Dabei geben Nutzer Bilder anderer Personen als ihre eigenen aus. Die Gründe sind vielfältig. Fake-Profile werden aber vor allem als Betrugsmethode verwendet. Laut eines Quartalsbericht von Facebook aus dem vergangenen Jahr sind weltweit fast 13 Prozent aller Konten gefälschte Profile. Das entspricht etwa 270 Millionen Konten.

Gegen diese Fake-Profile will Facebook nach eigener Aussage mit Hilfe der Gesichtserkennungsfunktion vorgehen. Denn im Falle eines gestohlenen Bildes, würde Facebook dem Nutzer anzeigen, wenn sein Foto irgendwo hochgeladen wird. Auf den ersten Blick eine praktische Funktion. Jedoch ist die Gesichtserkennung nicht ohne Fehler, warnen die Gegner. Auch hier gebe es für Betrüger eine Hintertür. Ein Nutzer kopiert beispielsweise ein Profilbild, veröffentlicht es in seinem Konto und schränkt die Sichtbarkeit des Fotos nur auf bestimmte Freunde ein. In diesem Fall bekommt die „echte“ Person keine Nachricht und wird nicht informiert, dass sein Bild veröffentlicht wurde. Und somit würde der Diebstahl des Bildes und das Fake-Profil nicht auffallen, erklärt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. 

Sie sieht die neue Funktion kritisch. „Auch wenn es aktuell keine Pläne gibt, die Daten mit anderen Unternehmen auszutauschen, kann sich das in Zukunft ändern“, teilt sie auf ihrer Webseite mit. Und verweist auf die Übernahme von Whatsapp durch Facebook im Jahr 2014. Damals wurde betont, dass die Daten der Whatsapp-Nutzer nicht an das soziale Netzwerk weitergegeben würden. Im vergangenen Jahr hat sich das jedoch geändert. Ebenso sei unklar, wie die Gesichtserkennungssoftware Verwechslungen von Menschen vermeiden will, die sich ähnlich sehen, kritisiert die Verbraucherzentrale.

Auch weltweit hat Facebooks automatische Gesichtserkennungsfunktion Gegner, zum Beispiel im eigenen Heimatland. Nutzer aus dem Bundesstaat Illinois etwa werfen dem Unternehmen vor, das Programm ohne ihr Einverständnis verwendet zu haben. Als Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer hat auch ein Gericht in San Francisco eine Sammelklage gegen Facebook zugelassen. 

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