Bitcoin-Konkurrenz Libra Facebook fordert die Finanzwelt heraus

Berlin · Der Konzern will eine digitale Währung auf den Markt bringen und sorgt so bei Ökonomen für Stirnrunzeln.

 Facebook will mit der Digitalwährung Libra internationale Überweisungen vereinfachen – und Kundendaten abgreifen.

Facebook will mit der Digitalwährung Libra internationale Überweisungen vereinfachen – und Kundendaten abgreifen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Facebook hat vor wenigen Tagen einen Vorschlag für eine neue globale Digitalwährung namens Libra vorgestellt. Inzwischen haben sich Experten das Konzept genauer angeschaut, sodass nun wichtige Fragen zu Libra beantwortet werden können – bis hin zu möglichen Gefahren für das Finanzsystem und die Daten von Millionen Kunden.

Wann soll Libra starten?

Der offizielle Start ist in der ersten Jahreshälfte 2020 vorgesehen. Aber die Facebook-Manager räumen ein, dass bis dahin noch viele rechtliche Fragen geklärt sein müssen.

Wie kann Libra genutzt werden?

Wie bei anderen Kryptowährungen auch benötigt man dazu eine digitale Geldbörse, die Facebook „Calibra“ nennen will. Sie wird als eigenständige Handy-App funktionieren, aber auch in Whatsapp und den Facebook Messenger integriert. Die Anwender können Libra mit klassischen Währungen wie Dollar, Euro oder Yen bei autorisierten Tauschbörsen kaufen und zurückwechseln.

Welchen Vorteil haben Anwender, wenn sie Libra einsetzen?

In der ersten Phase richtet sich die Digitalwährung vor allem an Menschen, die über Ländergrenzen hinweg Geld überweisen wollen und dafür bislang im klassischen Finanzsystem horrende Gebühren bezahlen. Ein anderes Anwendungsszenario ist die schnelle Überweisung von Geld unter Freunden, etwa um im Restaurant eine Rechnung aufzuteilen.

Ist Libra überhaupt eine „Facebook-Währung“?

Der Konzern hat das Konzept vorangetrieben und die erste Phase der Entwicklungsarbeiten finanziert. Verantwortlich für Libra wird aber eigenes Konsortium sein, die Libra Association. Dem Verbund gehören 28 Unternehmen aus der Tech- und Finanzbranche an, darunter Uber, Paypal, Visa, Mastercard, Vodafone und Spotify. Mit dabei sind aber auch gemeinnützige Unternehmen wie Kiva. Die Organisation aus den USA organisiert die Vergabe von Mikrokrediten in Entwicklungsländern.

Bekommt Facebook mit Libra Einblick in die Finanztransaktionen?

Das Unternehmen erfährt, wenn über Calibra, Whatsapp oder den Messenger Geld übertragen wird. Das Netzwerk verspricht zwar, die Finanzinformationen seiner Nutzer getrennt zu halten und auch nicht für eine gezielte Werbung zu nutzen, doch daran gibt es Zweifel. So warnt der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Ulrich Kelber im Kölner-Stadt-Anzeiger: „Ein Konzern, der über solch riesige Datenmengen verfügt, sollte nicht auch noch über Details unseres Zahlungsverhaltens Bescheid wissen.“ Facebook habe zwar versprochen, die Transaktionsdaten nicht mit anderen Informationen zusammenzufassen. Aber schon bei der Verbindung von Facebook und Whatsapp habe sich das Unternehmen nicht an seine Zusagen gehalten.

Wie schätzen die klassischen Banken das Konzept ein?

Bislang halten sich die Geldhäuser mit öffentlichen Stellungnahmen zurück, aber es gibt Finanzexperten die, Facebooks Vorstoß kritisieren. Das Unternehmen sei insbesondere darauf aus, noch mehr Kundendaten zu sammeln, um sie zur Anzeigenvermarktung zu nutzen, warnt Robert Halver von der Baader-Bank.

Was halten Europas Währungshüter von dem neuen digitalen Geld?

Dabei handele es sich um keine echte Währung, sagt der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi. Es fehle die Kontrolle durch eine Notenbank oder einen Staat. Indes sei die dahinter stehende Blockchain-Technologie vielversprechend, weil sie etwa erlaube, Rechnungen direkt nach Erhalt automatisch zu begleichen. Etliche Notenbanken experimentieren demnach mit der Blockchain, auch die Deutsche Bundesbank. Der Finanzstabilitätsrat FSB mit Sitz in Basel mahnt eine genaue Prüfung Libras und ähnlicher Digitalwährungen an. Zu den Mitgliedern des Rates gehören neben der EZB die Weltbank und die EU-Kommission.

Was unterscheidet Libra von der Kryptowährung Bitcoin?

Beide unterscheiden sich in mehreren Punkten zentral. Zum einen wird Libra an einen Rücklage-Fonds etablierter Währungen wie US-Dollar, Euro und Yen gekoppelt und durch kurzfristige Staatsanleihen abgesichert. Dadurch sollen massive Kursschwankungen wie bei Bitcoin vermieden werden. Libra benutzt außerdem im engeren Sinne keine Blockchain-Technologie, sondern ein anderes System einer dezentralen Kontenverwaltung. Damit soll Libra deutlich weniger Energie benötigen.

Warum kritisiert die Bundesbank das Konzept, wenn Libra vergleichsweise stabil sein soll?

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist der Ansicht, dass auch weniger schwankungsanfällige Krypto-Währungen für Verbraucher ein Risiko darstellen: „Insbesondere stellt sich die Frage, wie der Wert dieses Geldes garantiert werden kann.“ Werde es in großem Stil verwendet, könne es die Einlagenbildung und das Geschäftsmodell der traditionellen Banken untergraben, warnt Weidmann. Das wiederum drohe, deren Zahlungsverkehrsgeschäft und Prozesse an den Finanzmärkten zu stören.

Kann Libra von Kriminellen missbraucht werden?

Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling warnt vor dem Missbrauch der Technologie zur Geldwäsche oder der Finanzierung von Terrorismus. Der Präsident der Finanzmarktaufsicht Bafin, Felix Hufeld, sagte, er sorge sich darum, wie der Staat das digitale Geld regulieren könne.

Geht die Bedeutung von Libra über die Finanzwelt hinaus?

Das von Facebook veröffentlichte Konzeptpapier weist eine mögliche weitere Anwendung Libras hin: „Die Entwicklung und Förderung eines offenen Identitätsstandards.“ Mit 2,4 Milliarden Nutzern weltweit könnte Facebook dort erfolgreich sein, wo andere bei der Einführung eines weltweit akzeptierten digitalen Identitätsnachweises versagt haben.

(dpa)
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