Unfreiwillige IT-Dienstleister Das „Kannst-du-mal-kurz …?“-Dilemma

München · Wie eine Umfrage zeigt, nervt es viele jüngere Familienmitglieder, die Technikprobleme ihrer Großeltern zu lösen.

  Viele Jugendliche kennen das: Ältere Familienmitglieder bitten sie um Hilfe bei technischen Hindernissen.

Viele Jugendliche kennen das: Ältere Familienmitglieder bitten sie um Hilfe bei technischen Hindernissen.

Foto: dpa/Maja Hitij

„Kannst du mal kurz helfen?“ Vor allem jüngere Familienmitglieder, von denen es heißt, sie kennen sich mit „dem Internet“ und „dem Computer“ aus, kennen diese Frage. Meist ist das Problem, dessentwegen Großväter oder -mütter ihre Enkel ansprechen, dann auch schnell gelöst. Doch genervt sind viele der unfreiwilligen IT-Dienstleister trotzdem, zeigt eine Umfrage des IT-Sicherheitsunternehmens Kaspersky.

Die Studie gibt weltweit Aufschluss über die Kluft zwischen den Generationen hinsichtlich des Umgangs mit digitaler Technologie. Also zwischen jenen, die intuitiv mit Technologie umgehen können, und solchen, die sich aufgrund mangelnder Kenntnisse überfordert und abgehängt fühlen.

Ein Viertel der sogenannten Millennials – wer zu dieser Altersgruppe gehört, wurde um das Jahr 2000 geboren – habe in einer Umfrage angegeben, Familienmitglieder zu meiden, bei denen die Gefahr besteht, dass sie um technische Hilfe bitten. Fast jeder Zehnte würde sogar lieber einen Dienstleister bezahlen, als selbst Hand anlegen zu müssen. Etwa ein Drittel der Umfrageteilnehmer vermeide es bewusst, älteren Familienmitgliedern technische Geschenke zu machen. Denn das bedeute Arbeit, weil sie für die Einrichtung solcher Geräte antreten müssen. In der Auswertung der Umfrage zeigt sich, dass es Stück für Stück zur Entfremdung der Millennials von der älteren Generation ab 55 kommt.

Doch die Umfrage, an der 11 000 Verbraucher aus Deutschland und 12 weiteren Ländern teilnahmen, zeigt auch, dass in einigen Fällen Familienbande stärker sind als der Frust, weil zwei Stunden für die eigentlich simple Einrichtung eines Computerprogramms draufgegangen sind. Zwei Drittel der jungen Leute machen sich demnach Sorgen, dass ihre Eltern Opfer von Online-Betrügern werden könnten, wenn sie selbst nicht in der Nähe sind, um zu helfen. Und mehr als die Hälfte der Befragten fühle sich sogar verpflichtet, älteren Verwandten technische Unterstützung anzubieten. 64 Prozent der jungen Leute, die an der Umfrage teilnahmen, erklärten, einem älteren Familienmitglied bei einem technischen Problem geholfen zu haben.

Die älteren Familienmitglieder nehmen diese Hilfe gern in Anspruch, wie die Untersuchung ebenfalls zeigt. Über ein Drittel hätte nach eigenen Angaben ohne Unterstützung mit der digitalen Technik im Alltag schwer zu kämpfen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, über einen gewissen Grad an technischem Wissen zu verfügen. 41 Prozent der älteren Befragten erklärten, ihre Kinder oder andere jüngere Familienmitglieder für IT-Fernwartungsarbeiten einzuspannen. Die meisten Älteren hätten Hilfe bei der Sicherung eines Routers, der Installation von Cybersicherheitsschutz oder der Bekämpfung von Computerviren in Anspruch genommen.

Die Kaspersky-Studie beschäftigt sich auch mit den Risiken der digitalen Technologie. Diese biete eine breite Angriffsfläche für Cyberattacken mit den unterschiedlichsten Motiven, warnen die Autoren. Nur die Hälfte der Befragten glaube demnach, dass ihre Geräte über einen ausreichend starken Sicherheitsschutz verfügen. Ein Drittel der Geräte von Teilnehmern sei im Laufe des Jahres mindestens einem Malware-Angriff ausgesetzt gewesen.

Mit einem Sprichwort lasse sich das Ergebnis der Studie knapp zusammenfassen, so Kathleen Saxton, Psychotherapeutin und Gründerin von Psyched Global, einem Start-up, das Entwicklungstherapien für Führungspersonen anbietet: „Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn ein ganzes Leben.“ Saxton fordert, allen Altersgruppen Anleitungen zu digitalen Themen zu geben. Anne Mickler von Kaspersky fügt an, dass die Abhängigkeit von jüngeren Familienmitgliedern zur Lösung technischer Fragen das eigentliche Problem nur übertünche. Um den „Kannst-du-mal-kurz…“-Kreislauf zu durchbrechen, sei es nötig, die technischen Fertigkeiten der über 55-Jährigen zu stärken und sie zu befähigen, ihre Online-Aktivitäten sicher und selbstständig durchführen zu können.

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