Erfrischungskur für betagte Smartphones

Saarbrücken · Hunderte Euros kostete das Oberklasse-Handy damals, heute gilt es als überholt. Was viele Kunden ärgert, ist Kalkül. Der Stopp von Aktualisierungen für ältere Smartphones soll zum Neukauf reizen. Dabei meistert die Technik der vermeintlich alten Telefone den Alltag locker – aufgebrezelt mit Android aus der freien Programmierszene.

Beim Kauf noch als die Crème de la Crème der Smartphones beworben, landen sie nach kurzer Zeit oft in der Schublade. Ihre damals vielversprechenden Namen: Sensation, Optimus oder Galaxy. Wer eines dieser Android-Handys heute hervorkramt, bemerkt im Vergleich zu aktuellen Geräten: Oberfläche und Betriebssystem reagieren träge, wirken veraltet. Grund: Die Hersteller bieten häufig keine Aktualisierungen mehr für das Google-Betriebssystem an.

Hersteller sparen Zeit und Geld

Erst kürzlich berichtete das IT-Portal Golem, dass Samsung keine neue Software für seinen Kassenschlager Galaxy S3 veröffentlicht. "Eigentlich gibt es keine technischen Hürden. Die Hersteller wollen schlicht die Zeit und das Geld sparen, Android an die eigenen Telefone anzupassen", erklärt Philipp von Styp-Rekowsky vom Center for IT-Security, Privacy and Accountability der Universität des Saarlands.

Doch es gibt kostenlose Abhilfe für Smartphones älterer Bauart. "Freie Androids aus der weltweiten Programmierszene machen älteren Smartphones dank aktuellem Programmkern und Updates sicher", sagt von Styp-Rekowsky. Weil es sich bei Android um ein quelloffenes Betriebssystem handelt, an dem weltweit Programmierer mitwirken, seien auch die alternativen Versionen ohne Schadcode und liefen stabil.

Die freien Androids sind befreit von unnötiger Software, die Hersteller gerne ab Werk aufspielen. Auch ein Google-Konto brauchen Nutzer nicht zwingend. Am bekanntesten ist Cyanogenmod. "Es ist quasi die Mutter aller freien Androids", erläutert von Styp-Rekowski. Cyanogenmod.org zufolge besitzt der Android-Ableger mittlerweile weltweit rund zwölf Millionen Nutzer und ist vor allem bei Besitzern von Samsungs Galaxy-Modellreihe beliebt, dicht gefolgt von LG- und HTC-Telefonen. Im Test der Saarbrücker Zeitung gelang es, Cyanogenmod innerhalb von 15 Minuten auf ein drei Jahre altes Samsung Galaxy SII aufzuspielen. Der Android-Programmkern des Handys sprang dabei von der Version "Gingerbread" von 2011 auf "Jelly Bean" aus dem vergangenen Jahr.

In fünf Schritten zum Erfolg

Um das freie Android zu installieren, müssen Interessierte ihr Handy per USB-Kabel an einen Bürorechner anschließen und eine App für das Handy sowie ein Programm für den Computer von get.cm herunterladen. Wer dann die dortige Fünf-Schritte-Anleitung befolgt, auf dessen Telefon installiert sich Cyanogenmod praktisch von allein. Ergebnis: Das Gefühl, ein brandneues Smartphone der Oberklasse in den Händen zu halten. Das Telefon läuft wesentlich schneller als zuvor, die Bedienung gelingt deutlich flüssiger. Zudem können Nutzer nach der Installation die Oberfläche über zahlreiche Einstellungen und sogenannte Design-Apps aus dem Google Play Store anpassen, beispielsweise können der Sperrbildschirm gestaltet und Symbole auf der Oberfläche einzeln ausgetauscht werden. Für jede App können Cyanogenmod-Nutzer einzeln festlegen, auf welche Daten und Funktionen sie zugreifen darf. Aktualisierungen bezieht Cyanogenmod automatisch im Hintergrund.

Der chinesische Handy-Hersteller Xiaomi verwendet Cyanogenmod seit 2010 als Grundlage für seinen Android-Ableger Miui. In der aktuellen Version wartet das kostenlose Betriebssystem mit einem vorinstallierten Sicherheitspaket, wechselbaren Oberflächendesigns sowie mehr als 200 speziellen Funktionen, beispielsweise einem Notizbuch, stufenlos verstellbaren Schriftgrößen und detaillierten Anruferinformationen, auf. Deutsche Versionen von Miui und verständliche Anleitungen für viele HTC-, Samsung-, Huawei-, Sony-, Motorola und LG-Smartphones finden sich auf miui-germany.de, der Webseite einer regen deutschen Fanszene.

Anruf-Erkennung per Vibration

Einen weiteren, weitverbreiteten Android-Ableger hat das Entwicklerteam von Open Kang vorgelegt - leider bislang nur auf Englisch. Mit AOKP können Nutzer beispielsweise ihre eigenen Vibrations-Muster und die Farben von Blinklichtern des Telefons festlegen, um Anrufer zu erkennen, ohne auf das Handy-Display zu sehen.

Viel falsch machen können Nutzer mit den freien Androids nicht: "Ich kann ein Smartphone nur dann unbrauchbar machen, wenn ich beim Aufspielen den Bootloader, eine Art Mini-Betriebssystem, beschädige", erläutert Philipp von Styp-Reskowski. Mit Installationssoftware wie der von Cyanogenmod sei dies aber praktisch ausgeschlossen.

cyanogenmod.org

miui-germany.de

aokp.co

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