Einheitliche Regeln für das Netz

München · Für Käse oder Fruchtsaft gibt es einen einheitlichen Markt in Europa, für das Internet gibt es ihn nicht. Das will EU-Kommissar Günther Oettinger ändern. Noch dieses Jahr sollen einheitliche Regeln für digitale Märkte, Infrastruktur, Datenschutz und Urheberrecht in der Europäischen Union verankert werden.

Das Ziel ist ehrgeizig. Der neue EU-Internetkommissar Günther Oettinger will Ordnung in das digitale Verordnungschaos der Europäischen Union bringen. Bis Mai solle ein Konzept für einen gemeinsamen digitalen Markt vorgelegt werden. Für Orangensaft, Wein oder Wurst gebe es bereits einen einheitlichen EU-Markt, für die digitale Wirtschaft fehle das. "Wir haben 28 einzelne Märkte, 28 Datenschutzregeln, 28 Regulatoren", sagte Oettinger auf der Internetkonferenz Digital-Life-Design (DLD) in München . In einem weiteren Schritt soll das Urheberrecht folgen. Es sind hohe Ziele, die sich der EU-Internetkommissar gesteckt hat.

Ende des Jahres solle auch die schon seit Langem ausgearbeitete gemeinsame Datenschutz-Verordnung verabschiedet werden, zum Sommer solle es einen Rahmen für Datensicherheit geben. Außerdem benötige Europa rasch ein "faires und ausgewogenes" neues Urheberrecht und ein koordiniertes Vorgehen zum Ausbau der digitalen Infrastruktur. "Wir brauchen die Netzneutralität", sagte Oettinger deutlich zur Frage nach einem gleichberechtigten Zugang zu Netzen. Als Netzneutralität wird das Prinzip bezeichnet, nach dem alle Arten von Daten gleich behandelt werden müssten. Es müsse für Zugänge zum Internet auf hohem Niveau für alle gesorgt werden.

Auf dem digitalen Markt müsse Europa gegenüber den USA wettbewerbsfähig werden. Bisher habe der Kontinent in der digitalen Wirtschaft gegen Amerika verloren - nun drohe das auch für die übrige Wirtschaft. "Wer wird in zehn Jahren Autos bauen? BMW ? Google ? Oder beide zusammen? Es ist eine ernste und gefährliche Situation", sagte Oettinger. Die Europäer bräuchten vor allem zweierlei: klare, unbürokratische Regeln und Chancengleichheit.

Doch gerade strengere Datenschutzregeln dürften bei Google , Amazon oder Facebook nicht gut ankommen, denn Daten sind längst ihre wichtigste Währung im Netz. Und dabei geht es schon lange nicht mehr nur um Namen oder Telefonnummern. Es geht um alles, was Menschen bewegt. Welche Farben sie mögen oder welche Mode, wo sie einkaufen, wie lange sie schlafen, welche Wege sie nehmen, was sie lesen. Alles wird gespeichert und gesammelt.

Ohne diese Datenmengen wären Google , Amazon oder Facebook nicht denkbar. Und viele Kunden geben gerne diesen Rohstoff her. "Unternehmen brauchen heute langfristige Beziehungen zu ihren Kunden und personalisierte Angebote. Dafür brauchen wir Daten", sagte Amazon-Technikchef Werner Vogels. Big Data sei "schlicht Alltag - wie die Elektrizität", meint Wes Nichols von der Marketing-Beratung Market-share. Es gehe nun darum, damit umzugehen. Das sieht auch Oettinger so. Die Zeit dränge. "Es ist ein globaler Wettbewerb", sagte der CDU-Politiker.

Schon längst machen die US-Internetkonzerne ganzen Branchen das Leben schwer. Den Medien, dem Einzel- und Buchhandel oder Telefonanbietern. Kostenlose Messenger-Dienste haben die SMS verdrängt, Textnachrichten verdrängen den Anruf. Unternehmen wie die Deutsche Telekom sehen sich im Hintertreffen. Es gebe keine Waffengleichheit, beklagte Konzernchef Timotheus Höttges. Für ihn gelte das Fernmeldegeheimnis, während sich Facebook oder Google frei bedienen könnten.

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