Handy am Steuer Eine SMS, die Leben kosten kann

Saarbrücken · Wer sein Handy am Steuer nutzt, riskiert nicht nur hohe Geldstrafen. Oft sind schwere Verkehrsunfälle die Folge.

 Ein Klick ist oft einer zu viel: Smartphones am Steuer sind mittlerweile Unfallursache Nummer Eins in Deutschland.

Ein Klick ist oft einer zu viel: Smartphones am Steuer sind mittlerweile Unfallursache Nummer Eins in Deutschland.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Viele kennen die Situation: Man sitzt am Steuer und müsste sich auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren. Aber da gibt es noch diese wichtige Textnachricht, die sofort verschickt werden muss. Und dann wird die Straßenverkehrsordnung, die klar untersagt, das Handy während der Fahrt in die Hand zu nehmen, gerne außer Acht gelassen.

Dabei handele es sich keinesfalls um Einzelfälle, sagt Michael Haberland vom Automobilclub „Mobil in Deutschland e.V.“. Die Organisation hat im Mai 2015 eine Verkehrszählung in München durchgeführt, bei der 15 636 Fahrzeuge beobachtet wurden. Das Ergebnis: 6,5 Prozent der Fahrer hatten das Handy im fließenden Verkehr in der Hand oder am Ohr. An der roten Ampel waren es sogar fast 13 Prozent. Mark Vollrath, Professor für Verkehrspsychologie an der Technischen Universität Braunschweig, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Seine Forschungsgruppe 2016 hat 2000 Autofahrer auf der Autobahn A 2 beobachtet: Fast zehn Prozent der Fahrer nutzten ihr Smartphone.

Einer repräsentativen Umfrage des Online-Autohändlers Autoscout24 zufolge schließt nur jeder dritte Autofahrer in Deutschland grundsätzlich aus, das Handy am Steuer zu nutzen. 19 Prozent der Befragten gaben an, das schon jetzt zumindest gelegentlich zu tun. Fast jeder Zehnte hat das Handy während der Fahrt am Ohr, 14 Prozent schreiben am Steuer Kurznachrichten. In der Altersgruppe der 18- bis 39-jährigen Fahrer greift mehr als jeder Dritte unterwegs zum Smartphone, bei den über 50-Jährigen sind es nur acht Prozent.

Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede. 16 Prozent der befragten Frauen schreiben Kurznachrichten, bei den Männern sind es nur zwölf Prozent. Wer daraus nun ableitet, dass die männlichen auch gleichzeitig die gewissenhafteren Fahrer seien, irrt: Neun Prozent der Männer telefonieren ohne Freisprechanlage am Steuer, bei den Frauen sind es nur acht Prozent. Zudem gaben 59 Prozent der Frauen an, das Handy nie während der Fahrt zu nutzen, bei den Männern sind es zehn Prozent weniger.

Laut Michael Haberland kann das Mitteilungsbedürfnis am Steuer dramatische Folgen haben: „Man geht hier von geschätzten 500 Verkehrstoten und 25 000 Verletzten in Deutschland aus“, so der Verkehrsexperte. Zum Vergleich: Laut Statistischem Bundesamt verunglückten 2016 auf deutschen Straßen 17 000 Menschen durch Trunkenheit am Steuer, 225 von ihnen wurden getötet. „Heute ist das Smartphone Unfallursache Nummer Eins in Deutschland“, so die Einschätzung von Haberland. Die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer sei sich dennoch nicht im Klaren darüber, wie stark das Smartphone vom Straßenverkehr ablenken könne, sagt Haberland. Er liefert Zahlen: „Eine SMS bedeutet mindestens fünf Sekunden totale Ablenkung“, sagt der Experte. „Nur eine Sekunde Ablenkung bei 50 Kilometern pro Stunde bedeutet einen Blindflug von ganzen 14 Metern.“

Es liege auf der Hand, was auf dieser Strecke alles passieren könne. Beim Telefonieren steige das Unfallrisiko um das Siebenfache, beim Texten sogar um das 23-fache, so die Einschätzung von Haberland. Gemeinsam mit dem bayerischen Kultusministerium hat seine Organisation daher eine Kampagne ins Leben gerufen, die vor allem junge Menschen auf die Gefahren der Smartphone-Nutzung am Steuer hinweisen soll. An den bayerischen Schulen soll die Aktion angehende Autofahrer für die Problematik sensibilisieren. „Aufklärung ist vor allem bei der jüngeren Generation wichtig und das so früh wie möglich“, sagt Michael Haberland. Die Kampagne solle künftig auch auf andere Bundesländer ausgeweitet werden.

Schon jetzt bundesweit aktiv ist die Aktion „Be Smart! Hände ans Steuer – Augen auf die Straße“, die neben der „Mobil in Deutschland e.V.“ auch vom Tüv Süd und dem Bundesverkehrsministerium getragen wird. Auf der Webseite be-smart-mobil.de stellen die Verantwortlichen umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung.

Auch der Gesetzgeber hat reagiert und die Bußgelder für die Nutzung von Elektronikgeräten im September angehoben. Dazu werden neben dem Smartphone seitdem auch Tablets, E-Books oder Navigationssysteme gezählt. Solche Geräte dürfen nur in die Hand genommen werden, wenn das Fahrzeug steht und der Motor vollständig ausgeschaltet ist. Eine sogenannte Start-Stopp-Automatik, bei der der Motor an Ampeln oder im Stau kurzzeitig ausgeschaltet wird, erfüllt diese Kriterien laut Gesetzgeber nicht. Auch hier müssen Fahrer mit Strafen rechnen.

Der Griff zum Smartphone kostet seit der Neuregelung 100 Euro und einen Punkt in Flensburg. Wird der Verkehr gefährdet, sind es 150 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot. Sollte durch die Handynutzung während der Fahrt ein Sachschaden entstehen, kommen nochmals 50 Euro Bußgeld hinzu. Auch Radfahrer können belangt werden: 55 Euro kostet der Griff zum Smartphone auf dem Zweirad.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort