Eine Achterbahnfahrt der Gefühle

Saarbrücken · Selfies, Urlaubsbilder und Fotos vom Abendessen – auf Facebook und Co präsentieren viele die Glanzpunkte ihres Lebens. Bei manchen Betrachtern lösen solche Bilder Neid aus, andere freuen sich mit.

 Selbst auf dem Meeresgrund werden Selfies gemacht. Forscher sind sich uneins über die Wirkung solcher Bilder.

Selbst auf dem Meeresgrund werden Selfies gemacht. Forscher sind sich uneins über die Wirkung solcher Bilder.

Foto: Fotolia

Ob bei Facebook , Instagram oder Snapchat: überall scheinen vor allem junge Internetnutzer miteinander zu konkurrieren, sich über Klicks zu definieren, so viele Gefällt-mir-Angaben ("Likes") wie nur möglich zu generieren. Das zeigen unzählige Selfies, Schnappschüsse aus dem Urlaub auf Bali und Neuseeland, und Fotos von ausgefallenen Essenskreationen.

Was da nicht passt, wird eben passend gemacht, dafür sorgen spezielle Bildbearbeitungs-Apps. So hat es sich etwa das soziale Netzwerk Snapchat zur Aufgabe gemacht, Nutzer mit sogenannten Beauty-Filtern zu verschönern. Ein Klick genügt, um die Augen zu vergrößern, die Nase schmaler erscheinen zu lassen, das Gesicht zu konturieren, kurz: aus seinem eigenen Ich ein Schönheitsideal zu formen, das nur noch wenig mit der Realität zu tun hat.

Doch wie wirken solche Bilder auf die Betrachter? Dieser Frage sind Forscher der Humboldt-Universität Berlin und der Technischen Universität Darmstadt nachgegangen. In einer Untersuchung befragten sie 600 Internetnutzer nach ihren Gefühlen während und nach dem Surfen bei Facebook . Das Ergebnis: Über ein Drittel der Teilnehmer (37 Prozent) habe angesichts so viel positiver Nachrichten mit negativen Gefühlen und Frustration reagiert. Um der eigenen Unzufriedenheit entgegenzuwirken, wollten sie sich selbst noch besser präsentieren. Das rufe wiederum Missgunst bei anderen hervor und führe dann schließlich in eine sogenannten "Neidspirale".

Nicht zuletzt deshalb sorgten soziale Netzwerke für eine geringere Lebenszufriedenheit, sagen Wissenschaftler der Universität Ulm , die in einer Studie exzessive Internetnutzung untersucht haben. Dabei sei eine Beobachtung besonders auffällig gewesen: Frauen empfänden weitaus mehr Frustration beim Surfen als männliche. Ein möglicher Grund dafür sei, dass Mädchen und Frauen häufiger auf soziale Netzwerke zugriffen, während Männer Online-Spiele bevorzugten, so Bernd Lachmann, von der Universität Ulm .

Doch der Drang nach Selbstinszenierung und der ständige Vergleich sind nicht erst mit dem digitalen Zeitalter entstanden, erklärt die Medienpsychologin Sonja Utz, die sich in ihrer Forschung am Leibniz Institut für Wissensmedien Tübingen auf die Auswirkungen sozialer Medien konzentriert. Durch soziale Medien sei dieses Verhalten nur globaler geworden: Man messe sich nicht mehr nur mit den Nachbarn oder Bekannten aus der nächsten Umgebung, sondern gleich mit völlig Fremden auf der ganzen Welt.

Genau hier sehen die Forscher aus Berlin und Darmstadt jedoch das Problem: So sei es durch soziale Medien viel einfacher, eine passende Vergleichsperson zu finden. Die Wahrscheinlichkeit dabei möglicherweise schlechter abzuschneiden, sei logischerweise höher. Wie der Einzelne damit umgehe, das hänge wiederum stark von seinem Selbstwertgefühl ab, sagt Utz. Gefährlich werde es für Nutzer, die generell an Unsicherheit und mangelndem Selbstbewusstsein leiden. Nicht selten könne der übersteigerte Konsum sozialer Medien zum bewussten Vergleich mit anderen also tatsächlich extremen Druck aufbauen und schlimmstenfalls Depressionen auslösen.

Wieso finden sich in sozialen Netzwerken eigentlich vorwiegend positive Bilder? Dafür gibt es laut Utz eine einfache Erklärung: Nutzer teilten in der Regel nur jene Fotos, Ereignisse oder Erinnerungen, von denen sie glauben, dass sie besonders gut bei ihren virtuellen Freunden ankommen. Ein Foto aus dem heimatlichen Dorf dürfte die wenigsten interessieren, der Sonnenuntergang in Phuket hingegen werde mit vielen Likes belohnt . Das sorge aber nicht unbedingt für Neid, im Gegenteil. Damit widerspricht Sonja Utz den Ergebnissen der anderen Forscher. Sie beruft sich auf eine Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wissensmedien Tübingen. Bei insgesamt 194 Teilnehmern seien unter ähnlichen Umständen ganz andere Emotionen festgestellt worden: So würden positive Inhalte auf Facebook eher glücklich als neidisch machen.

"Nutzer freuen sich vielmehr für ihre Freunde, wenn sie in den Neuigkeiten etwas Positives von ihnen lesen. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie die Person hinter dem Bildausschnitt kennen und wissen, dass deren Leben nicht immer so perfekt ist, wie es gerade dargestellt wird", erklärt Utz. Missgunst hingegen entstünde nur dann, wenn Nutzer vollkommen fremden Menschen im Internet folgten und zu chronischem Neid neigten. Dann fehle der Bezug zur Realität und das Internetbild wird für bare Münze genommen.

Frustration, Neid, Unzufriedenheit, Glück - über die Wirkung von Facebook sind sich die Forscher also herzlich uneinig. Doch wer hat letztlich Recht? Das will die Online-Redaktion der Saarbrücker Zeitung in einer aktuellen Facebook-Umfrage herausfinden.

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