Nicht für Kinderhände geeignet Ein Smartphone ist kein Spielzeug

Berlin · Kinder haben immer häufiger und immer früher ein eigenes Handy. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass das gravierende Auswirkungen auf die schulischen Leistungen und das Sozialverhalten des Nachwuchses haben kann.

 Wenn Kinder zu viel Zeit vor dem Smartphone verbringen, kann sie das psychisch krank machen.

Wenn Kinder zu viel Zeit vor dem Smartphone verbringen, kann sie das psychisch krank machen.

Foto: dpa/Hans-Jürgen Wiedl

 Smartphones machen einsam, unaufmerksam und hyperaktiv. Auf diese Formel lässt sich das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Leipzig herunterbrechen, in der Vorschulkinder beobachtet wurden, die täglich vor dem Bildschirm saßen.

Die Langzeitstudie hat das Verhalten von 527 Zwei- bis Sechsjährigen unter die Lupe genommen. Dabei wurde festgestellt, dass Kinder, die zu Beginn der Untersuchung täglich ein Smartphone oder einen Computer nutzten, später häufiger hyperaktiv oder unaufmerksam waren. Zudem scheinen digitale Medien ein beliebtes Mittel zu sein, um sich vor der Welt zu verstecken. So widmeten Teilnehmer, die Probleme mit Gleichaltrigen hatten, ihren mobilen Begleitern im Schnitt deutlich mehr Zeit.

Neben den Vorschulkindern warfen die Leipziger Forscher auch einen Blick auf 850 ältere Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren. Auch hier sprechen die Ergebnisse gegen die übermäßige Nutzung des Smartphones. Wer seltener im Internet surft, hat bessere Schulnoten, lautet ein Fazit. Demzufolge hielten sich Schüler, die eine Haupt- oder Realschule besuchen, grundsätzlich länger vor dem Fernseher, dem Smart­phone oder der Spielkonsole auf. Unabhängig von der Schulform bekamen Teilnehmer, die seltener am Bildschirm hingen, im Durchschnitt bessere Mathe- und Sportnoten in der Schule.

Jean Twenge, Professorin für Psychologie an der San Diego State University, spricht von einer „regelrechten Obsession“. Die von ihr für eine andere Untersuchung befragten Jugendlichen schliefen fast alle neben ihren Smartphones, legten sie unter ihr Kopfkissen, auf die Matratze oder zumindest in Reichweite des Betts. „Ihr Smartphone ist das Letzte, was sie vor dem Schlafen sehen und das Erste, was ihnen morgens ins Auge fällt“, so Twenges Einschätzung.

Smartphones sind mittlerweile schon bei Grundschülern ein großes Thema. Dabei sind sie laut der EU-Initiative Klicksafe für Kinder unter zwölf Jahren „eher nicht geeignet“. Um herauszufinden, ob der Nachwuchs reif fürs Handy ist, stellt die Organisation auf ihrer Webseite eine Checkliste zur Verfügung (Infokasten). Grundsätzlich sollten sich Kinder mit den Funktionen der mobilen Begleiter auskennen, aber gleichzeitig über deren Risiken Bescheid wissen. Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, rät Klicksafe, die Kinder schon früh mit den Kosten zu konfrontieren, die ein Smartphone verursachen kann. Eine sichere Option für kleinere Kinder böten Prepaid-Verträge mit Kostenlimit.

Wichtig sei auch, wie viel Zeit die Sprösslinge vor dem Bildschirm verbringen. Schon bei Kleinkindern könne es zu einer Abhängigkeit von elektronischen Medien kommen, erklärt Thomas Feibel, Medienexperte der Online-Plattform Internet-ABC. Um Kinder davor zu schützen, dürfe ihr Leben nicht ausschließlich vor dem Bildschirm stattfinden. Stattdessen sollten Zeiten festgelegt werden, in denen das Gerät genutzt werden darf. Zu bestimmten Tageszeiten, zum Beispiel beim gemeinsamen Essen oder vor dem Schlafengehen, empfiehlt Feibel ein Handyverbot.

Außerdem könnten einzelne Apps so eingestellt werden, dass sie das Suchtpotential nicht noch weiter verstärkten. Zunächst, so Feibel, sollten die Sofort-Benachrichtigungen in sämtlichen Anwendungen deaktiviert werden, damit das Handy nicht dauernd auf sich aufmerksam mache. Messenger wie Whatsapp seien zudem so voreingestellt, dass andere sehen können, wann das Kind zuletzt online war oder eine bestimmte Nachricht gelesen hat. Gerade diese Funktionen setzten den Nachwuchs unnötig unter Druck und sollten abgeschaltet werden, so der Rat des Experten.

Wer Whatsapp nutzt, findet die Einstellungen auf iOS-Geräten unten rechts, Android-Nutzer können oben rechts in die Einstellungen wechseln. In der Kategorie „Mitteilungen“ findet sich die Option „Benachrichtigungen anzeigen“. Hier lassen sich Sofort-Benachrichtigungen deaktivieren. Ob angezeigt wird, wann Nutzer zuletzt online waren, kann unter dem Menüpunkt „Account“ eingestellt werden. Dort gelangen Nutzer zu den Datenschutzeinstellungen, in denen auch die „Lesebestätigungen“ sowie der „Live-Standort“ abgeschaltet werden können. Ist letztere Option aktiviert, können Kontakte des Kindes sehen, wo es sich gerade aufhält.

Wichtig sei auch, dass Eltern ihre Vorbildfunktion nicht unterschätzen dürften, rät Thomas Feibel. Wer selbst den ganzen Tag über nur am Display klebt, darf sich laut dem Medienexperten nicht wundern, wenn die neuen Spielregeln auf Ablehnung stoßen.

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