Doktor Google ist gefragt

Das Internet als Doktor? Mehr als jeder dritte Deutsche befragt mittlerweile Suchmaschinen zu medizinischen Themen. Vor allem, wenn er mit der Behandlung seines Arztes nicht zufrieden ist.

 Je weniger Patienten ihrem Arzt vertrauen, desto häufiger nutzen sie das Internet, um sich über ihre Krankheit und die richtige Behandlung zu informieren. Foto: Fotolia

Je weniger Patienten ihrem Arzt vertrauen, desto häufiger nutzen sie das Internet, um sich über ihre Krankheit und die richtige Behandlung zu informieren. Foto: Fotolia

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Wuppertal. Das Internet in Deutschland wird als Ratgeber in Gesundheitsfragen immer wichtiger. 38 Prozent aller Deutschen suchen bei medizinischen Sorgen Rat im Computernetzwerk - besonders gern wird Dr. Google konsultiert. Das zeigt der Gesundheitsmonitor 2015, den die Bertelsmann-Stiftung und die Krankenkasse Barmer GEK gerade veröffentlicht haben.

Die Quote sei seit Beginn des Jahrzehnts um zehn Prozentpunkte gestiegen, doch nehme das Computernetzwerk insgesamt nach wie vor nur einen mittleren Stellenwert als Informationsquelle ein, schreiben die Autoren der repräsentativen Untersuchung mit 1728 Teilnehmern. Wenn's um Gesundheitsfragen geht, informiert sich die Mehrheit der Deutschen vorzugsweise beim Arzt (56 Prozent), bei Apotheken und Krankenkassen (55 Prozent), in der Familie (43 Prozent) oder über klassische Medien wie die Tageszeitung (40 Prozent).

Vor allem jüngeren Menschen ist das Computernetzwerk als Informationsquelle zur Gesundheit sehr wichtig. Der Altersdurchschnitt des typischen "Gesundheits-Onliners", so die Studie, habe 45 Jahre betragen. Mit zunehmendem Alter sinke die Bereitschaft, Informationen im Netzwerk zu suchen - wenn der Internetnutzer gesund bleibt. Patienten sehen sich deutlich häufiger nach einer medizinischen Zweitmeinung im Internet um. Dabei spiele eine wesentliche Rolle, ob sie mit ihrem behandelnden Arzt zufrieden sind. Je weniger die Patienten ihrem Mediziner vertrauen, desto häufiger sitzen sie vor ihrem Computer, um sich selbst über ihre Krankheit und deren Behandlung zu informieren, so die Studie.

Dass die Internetnutzer bei dieser Suche wenig informiert loslegen, schließen die Forscher aus der Tatsache, dass dabei weit mehr als die Hälfte zunächst über allgemeine Suchmaschinen wie Google ins Netz stolpert. Sie werten das als Indiz dafür, "dass den Nutzern die eigenständige Orientierung und Auswahl der geeigneten Webseiten im Vorfeld schwerfällt". Das führe zum Beispiel dazu, dass das allgemeine Online-Lexikon Wikipedia sowohl bei den Gelegenheits- (58 Prozent) als auch bei den Vielsurfern (67 Prozent) die höchsten Trefferquoten bei Gesundheitsfragen hat. Die Autoren der Studie erklären dies mit dem typischen Wikipedia-Effekt in Suchmaschinen. Die Seiten der Online-Enzyklopädie landen dort regelmäßig auf den ersten Plätzen der Trefferlisten und werden deshalb als erste angeklickt. Auf weiteren Plätzen folgen Internetseiten von Krankenkassen (40/52 Prozent), spezialisierte Internetportale (28/47 Prozent) und allgemeine Ratgeber-Communitys (23/42 Prozent).

Ob ein Bundesbürger im Internet Antwort auf Fragen rund um seine Gesundheit sucht, hängt auch vom sozialen Status ab, zeigt die Untersuchung. Studienteilnehmer, die der Mittel- oder der Oberschicht zugeordnet wurden, seien bis zu viermal häufiger im Datennetz unterwegs. Aus Sicht der Ärzte führt das jedoch nicht unbedingt zu einer einfacheren Behandlung, so eine Studie der Uni Klagenfurt aus dem Jahr 2012. Sie ergab zwar, dass eine Mehrzahl der damals befragten 287 Mediziner dem Internet als Informationsquelle grundsätzlich Positives abgewinnen konnte. Allerdings hatten die Ärzte den Eindruck, dass die Internet-Recherche bei ihren Patienten nicht unbedingt zu Erkenntnisgewinnen führte. 82 Prozent seien falsch informiert in die Praxis gekommen, das habe in mehr als zwei Dritteln der Fälle die Behandlung verlängert. Allerdings: Mehr als ein Fünftel der Ärzte verschrieb Patienten , die sich im Internet schlau gemacht hatten, eher ein gewünschtes Medikament als uninformierten Besuchern.

Die Autoren des Gesundheitsmonitors kommen in ihrer Auswertung zum Fazit, es sei nicht die beste Idee, bei medizinischen Themen blind Trefferlisten von Dr. Google zu folgen. Wegen des Wirrwarrs an Gesundheitsseiten im Internet plädieren sie dafür, eine Spezial-Suchmaschine aufzubauen, die Besucher gezielt zu medizinischen Seiten führt, die mit einem Qualitätssiegel als verlässlich markiert sind.

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