Die vergifteten Quellen des Mars

Dass auf dem Mars einst Wasser floss, das gilt als sicher. Sogar heute könnte es dort flüssiges Wasser geben. Doch diese positiven Nachrichten, interpretierten Fachleute nicht mehr unbedingt als Anzeichen dafür, dass sich auf dem Roten Planeten Leben entwickelt hat.

 Aus Bildern der Sonde Mars Reconnaissance Orbiter haben Nasa-Wissenschaftler dieses Bild des Zentralbergs im Horowitz-Krater auf dem Mars errechnet. Die in die Tiefe führenden Spuren könnten von Wasser stammen. Foto: MRO/Nasa

Aus Bildern der Sonde Mars Reconnaissance Orbiter haben Nasa-Wissenschaftler dieses Bild des Zentralbergs im Horowitz-Krater auf dem Mars errechnet. Die in die Tiefe führenden Spuren könnten von Wasser stammen. Foto: MRO/Nasa

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 Vor vier Milliarden Jahren könnte der Mars noch einen kilometertiefen Ozean besessen haben. Grafik: Kornmesser/Eso

Vor vier Milliarden Jahren könnte der Mars noch einen kilometertiefen Ozean besessen haben. Grafik: Kornmesser/Eso

Berlin. Wasser bedeutet Leben. Diese simple Gleichung stand bisher im Mittelpunkt aller Überlegungen der Planetenforscher bei der Suche nach anderen Lebensformen. Doch möglicherweise ist sie falsch. Gilt, was für irdische Bäche, Flüsse, Seen und Meere zutrifft, auch dann, wenn das Wasser hohe Konzentrationen giftiger Substanzen enthält? Mit dieser Frage müssen sich Exobiologen beschäftigen, seitdem der Mars-Roboter Curiosity Chlorsalz-Verbindungen im Marsboden entdeckt hat.

In den vergangenen vier Jahrzehnten haben knapp ein Dutzend Raumsonden die gesamte Marsoberfläche kartiert. Ozeane, Seen oder Flüsse fanden sie nicht. Aber es gibt zahlreiche Strukturen, in denen Marsforscher Spuren von Wasser- und Schlammlawinen sehen, oder die sie für einstige Flussbetten und ausgetrocknete Seen halten.

Die aktuellsten Hinweise lieferte der Marsrover Curiosity, der seit August 2012 den Gale-Krater auf dem Mars erkundet. Er stieß dort auf Sedimentschichten aus ehemals unter Wasser abgelagertem, feinem Tongestein sowie in fließendem Wasser rundgeschliffene Kieselsteine, so die Interpretation des Wissenschaftlerteams der Nasa.

Enttäuschend verliefen dagegen bislang die Experimente des 2,5 Milliarden Dollar teuren Marsrovers zum Nachweis von Marsmikroben. Wie der deutsche Planetologe Ernst Hauber vom Berliner DLR-Planeteninstitut vermuten die meisten seiner Kollegen, dass es auf dem Mars nur für eine kurze Zeitspanne Flüsse und freie Wasserflächen gegeben hat. Das dürfte mehr als drei Milliarden Jahren her sein.

Heute gibt es Wassereis nur in den Polargebieten und im Boden der subpolaren Zonen. Eine Ausnahme könnten jedoch bis zu einige hundert Meter lange dunkle Rinnen an Kraterrändern sein. Ein Geologen-Team um Tjalling de Haas von der Universität Utrecht und Ernst Hauber vom DLR in Berlin-Adlershof hat diese Rinnen aus der Satellitenperspektive genauer analysiert. Als Auslöser vermutet das deutsch-niederländische Forscherteam kleine Schlammlawinen, die vor einigen Tausend Jahren durch im Sonnenlicht aufgetautes, unterirdisches Eis ausgelöst wurden.

Ein US-Team um den Geologen Lujendra Ojha vom Georgia Institute of Technology in Atlanta und die Planetenforscherin Mary Beth Wilhelm vom Ames Research Center der Nasa im kalifornischen Moffett Field hält es sogar für möglich, dass bis zum heutigen Tag Sturzbäche an Kraterrändern herablaufen. Die US-Forscher verweisen auf Satellitenfotos, die frische dunkle Abflussrinnen an alten Kratern zeigen. Zudem stützen sie ihre Hypothese auf von den Mars-Robotern am Boden nachgewiesenen Chlorsalz-Verbindungen (Perchlorate), die den Schmelzpunkt von Eis unter null Grad Celsius senken könnten.

Perchlorat ist ein in vielen Haushalten und der Industrie eingesetztes Reinigungs- und Desinfektionsmittelmittel. Es kann die meisten irdischen Mikroorganismen unschädlich machen. Ob unter solchen Voraussetzungen auf dem Mars Leben entstehen konnte, ist die Frage. Auf der Erde gibt es einige Mikroben, die auch mit Chlorverbindungen fertig werden. Möglicherweise haben diese Bakterien sich aber auch erst im Verlauf ihrer Evolution an die Gifte angepasst. Künftigen Astronauten kann nach den Messwerten der Weltraumforscher jedenfalls nur empfohlen werden, ihre Raumanzüge nach Außenaufenthalten gründlichst zu reinigen und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um Chlorgasvergiftungen zu vermeiden. Das freilich ist bisher blanke Utopie: Bis auf Weiteres geht die Wasser- und Lebenssuche auf dem Mars mit unbemannten Raumsonden weiter. Fürs nächste Jahr plant die Nasa den Start der Landesonde Insight, die erstmals einige Meter tief in den Untergrund bohren soll.

Europa will 2016 einen neuen Mars-Orbiter starten, der die Herkunft von Methan in der Marsatmosphäre untersuchen soll. Als eine Möglichkeit dafür gelten biologische Prozesse. 2018 will die europäische Weltraumorganisation Esa schließlich ihr Forschungslabor Exomars auf den Roten Planeten bringen und biologische Experimente durchführen. Und im Jahr 2020 wird eine modernere Variante des Nasa-Rovers Curiosity folgen.

Es ist freilich fraglich, ob diese Missionen die Frage nach Marsleben beantworten können. Deshalb erwägen Forscher in den USA und Europa bereits den übernächsten Schritt: Den Start einer unbemannten Sonde, die Marsgestein bergen und zur Untersuchung in ein irdisches Labor bringen soll.

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