Der Unsichtbarkeit auf der Spur

Karlsruhe · Die Flügel des mittelamerikanischen Glasflügel-Schmetterlings sind beinahe vollkommen durchsichtig. Dieser Effekt ist unabhängig vom Blickwinkel des Betrachters. Karlsruher Wissenschaftler haben jetzt den Trick herausgefunden, den das Insekt nutzt: Unregelmäßige mikroskopische Strukturen auf der Oberfläche der Flügel verhindern Lichtreflexionen.

 Die Flügel dieses Schmetterlings sind fast so durchsichtig wie eine Glasscheibe, reflektieren aber praktisch kein Licht. Karlsruher Wissenschaftler wollen nun Bildschirme von Handys und Laptops nach dem Vorbild des Glasflüglers entwickeln. Foto: KIT/Siddique

Die Flügel dieses Schmetterlings sind fast so durchsichtig wie eine Glasscheibe, reflektieren aber praktisch kein Licht. Karlsruher Wissenschaftler wollen nun Bildschirme von Handys und Laptops nach dem Vorbild des Glasflüglers entwickeln. Foto: KIT/Siddique

Foto: KIT/Siddique

Was die Superhelden aus Filmen wie "Die fantastischen Vier" oder "Die Unglaublichen" können, können Vertreter der Tierwelt schon lange: sich unsichtbar machen. Der in Mittelamerika vorkommende Glasflügel-Schmetterling (Greta oto) besitzt diese Fähigkeit. Seine Flügel sind extrem durchsichtig, sie reflektieren physikalisch gesprochen also kaum Licht. Im Flug ist das Insekt deshalb für seine Feinde nahezu unsichtbar. Wissenschaftler kennen auch andere durchsichtige Materialien in der Natur, die nur minimal spiegeln. Dazu gehören beispielsweise die Sehorgane einer Motte. Doch gewöhnlich ist dieser Effekt nur dann zu beobachten, wenn der Blick genau senkrecht auf diese Oberfläche fällt.

Ganz anders beim Glasflügler: Die Flügel der Schmetterlingsart, die hauptsächlich in Mittelamerika vorkommt, reflektieren auch dann nur schwach, wenn man schräg auf sie schaut. Je nach Blickwinkel werden nur zwei bis fünf Prozent des einfallenden Lichtes zurückgeworfen. Zum Vergleich: Eine Glasscheibe reflektiert, je nach Blickrichtung, zwischen acht und 100 Prozent. Der Effekt gilt nicht nur für das gesamte für den Menschen sichtbare Lichtspektrum, sondern auch - das ist überlebenswichtig für den Schmetterling - für das für viele Tiere wahrnehmbare Infrarot und ultraviolette Licht.

Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) um den Physiker Hendrik Hölscher haben nun genauer untersucht, wie die Tarnkappe dieses Schmetterlings beschaffen ist, die ihn praktisch durchsichtig erscheinen lässt. Sie sahen sich die Schmetterlingsflügel dafür unter einem Rasterelektronenmikroskop an. Aus Studien an anderen Tierarten ist bereits bekannt, dass regelmäßige Nanostrukturen auf der Oberfläche für geringe Reflexionen sorgen. Auch bei den Schmetterlingsflügeln fanden die Forscher solche Nanostrukturen, allerdings waren diese im Gegensatz zu den bisherigen Funden gänzlich unregelmäßig angeordnet und unterschiedlich groß. Sie sind zwischen 400 und 600 Nanometer hoch, das ist weniger als ein tausendstel Millimeter.

Der Abstand zwischen diesen Strukturen schwankt zwischen 100 und 140 Nanometern. Das entspricht etwa einem Tausendstel eines menschlichen Haares. "Die Nanostrukturen sind deutlich kleiner als die Wellenlänge des Lichtes", erklärt Hölscher.

Für Brillen und Bildschirme

In theoretischen Experimenten haben die Forscher diese Unregelmäßigkeiten in Größe und Anordnung mathematisch nachgebildet und gezeigt, dass die berechnete reflektierte Lichtmenge für unterschiedliche Blickwinkel genau den beobachteten Werten entspricht. Die Strukturen sorgten demnach für die geringe Reflexion unter unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Diese Ergebnisse, so die Forscher, eröffneten damit eine ganze Fülle von denkbaren Anwendungsmöglichkeiten - und zwar überall dort, wo schwach reflektierende Oberflächen gebraucht werden. Das ist etwa bei Brillengläsern oder Handy-Displays der Fall. "Man könnte durchsichtige Kunststofffolien nach dem Vorbild des Glasflüglers entsprechend präparieren", erläutert Hölscher. "Dazu würde man einen so genannten Formeinsatz herstellen, der die negative Struktur der Glasflügler hat. Dann presst man diesen Formeinsatz in eine aufgewärmte Folie und überträgt so die Form in die Oberfläche der Folie." Die Karlsruher Wissenschaftler arbeiten nach eigenen Angaben bereits an einer Umsetzung, sind dabei aber noch im Versuchsstadium. Das Problem besteht laut Hölscher darin, diesen Formeinsatz präzise zu produzieren. Nanostrukturen in der entsprechenden Größe herzustellen, die dann auch noch das gewünschte Verteilungsmuster aufweisen, sei nicht ganz einfach, so der Wissenschaftler.

Erste Experimente mit den Prototypen hätten allerdings bereits gezeigt, dass diese Art der Oberflächenbeschichtung noch weitere Vorteile mit sich bringen kann: Sie habe darüber hinaus auch wasserabweisend und selbstreinigend gewirkt.

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