Raue Idylle Wenn Meer und Sand das Land verschlingen

Thy/jütland · Der Nationalpark Thy in Nordwestjütland gilt als Dänemarks größte Wildnis und lockt vor allem Naturliebhaber und Wanderer an.

 Weite, Stille und unberührte Natur: Der dänische Nationalpark Thy lädt Wanderfreunde zu verschiedenen Touren ein.

Weite, Stille und unberührte Natur: Der dänische Nationalpark Thy lädt Wanderfreunde zu verschiedenen Touren ein.

Foto: Thomas Reinhardt

Sonne, Meer und Sand – von diesem Trio schwärmen viele Menschen in der Regel, wenn es um das Thema Reisen und Urlaub geht. Doch die mächtigen Kräfte der Natur können die Menschen auch vor arge Probleme stellen. Zum Beispiel wenn das Meer und der Sand, von Wind und Wetter aufgepeitscht, sich von der Küste ins Landesinnere fressen und ganze Landstriche verschlingen. So geschehen im dänischen Nordwestjütland. „Hier hat zu mehreren Zeiten das Sandtreiben mühsam angebaute Flächen zerstört, und die Einwohner dazu gezwungen, ihren Wohnsitz zu verlagern“, erklärt unsere Führerin Anna Worm.

Wir sind im Nationalpark Thy angekommen, genauer gesagt in dem Örtchen Lyngby. Wobei selbst Örtchen noch übertrieben scheint, handelt es sich doch eher um eine Ansammlung von Häusern an einer langgezogenen Straße in einer Heidelandschaft. Im „Ortskern“, an einem größeren Backsteingebäude, hat sich die kleine Reisegruppe aus Deutschland mit der Nationalpark-Führerin getroffen. Über dem großen grünen Tor an der Kopfseite steht in schon etwas verblasster weißer Schrift „Redningsstation“, auf die beiden Türhälften sind dänische Flaggen aufgemalt. „Bis 1975 war das hier die Rettungsstation, heute dient das Haus als einfache Unterkunft für Wanderer“, erklärt Anna Worm.

Rettungsstation? In den letzten Jahrhunderten bildete die Fischerei die Lebensgrunslage der meisten Menschen in den wenig besiedelten Küstenstreifen von Jütland. Da immer mal wieder Boote in Seenot gerieten, wurden Leuchttürme, Landmarken und Rettungsstationen eingerichtet. Diese Stützpunkte wurden mit einem Weg verbunden, von dem aus die Helfer zum Strand gelangen konnten.

„Heute dient dieser ehemalige Rettungs- als ausgeschilderter Wanderweg“, klärt uns Anna auf. Und auf diesem „Redningsvej“ machen wir uns jetzt auf in Richtung Lodberg Fyr, dem großen, 1883 errichteten Leuchtturm. Mal breit und einem Schotterweg ähnlich, mal über hellen Sand, dann als schaler Pfad durch Dünen und an Sträuchern und Bäumen vorbei, führt die Tour durch eine weite Dünen-, Heide- und Feuchtgebietelandschaft.

Um dem Flugsand Einhalt zu gebieten, wurden Strandhafer (eine Grasart) und Bäume gepflanzt und das 55 Kilometer lange und fünf bis zwölf Kilometer breite Gebiet an der Küste von Nordwestjütland 2008 zum Nationalpark erklärt, dem ersten in Dänemark. Heute beherbergt der Nationalpark Thy, auch „Dänemarks größte Wildnis“ genannt, ein vielfältiges Tier- und Pflanzenleben. In den Wäldern fühlen sich Kron- und Rehwild sowie Eulen und Käuze wohl, an der Küste sind mit etwas Glück Kraniche und Seeadler zu beobachten. Die Landzunge Agger Tange ganz im Süden trägt den Status eines internationalen Vogelschutzgebietes. Wasservögel rasten hier und Arten der Wiesen- und Weidelandschaft brüten in dem Gelände. In den weiten, stillen Dünenheiden, die wir durchwandern, sorgen je nach Jahreszeit Heidekraut, Weidenarten, Krähen- und Heidelbeerren, Wollgras, fleischfressende Pflanzen und Orchideen für Abwechslung.

Wer in Ruhe diese außergewöhnliche Natur genießen, ehemalige Fischerdörfchen und idyllische Strände besuchen sowie Wälder durchstreifen möchte, der ist im Nationalpark Thy richtig. Es gibt markierte Wander- und Fahrradwege, Lagerfeuerplätze, einfache Übernachtungsorte, Vogelbeobachtungs- und Aussichtstürme sowie Angel- und Bademöglichkeiten im Meer und an Seen. Auch öffentliche Führungen werden angeboten.

 Reisekarte Nationalpark_Thy

Reisekarte Nationalpark_Thy

Foto: SZ/Steffen, Michael

Wir sind am Leuchtturm Lodberg Fyr angekommen und steigen die 133 Stufen bis zur Spitze hoch. Dort liegt uns diese weitgehend unberührte Dünenheidelandschaft zu Füßen. Und man sieht es: Die äußerste Dünenreihe im Norden ist unterbrochen. Hier bewegt der Sand sich übers Land und bildet eine Wanderdüne. Die Kräfte der Natur sind eben kaum aufzuhalten.

(dpa)
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