Digitale Sprachassistenten Der Lauscher im eigenen Wohnzimmer

Saarbrücken · Digitale Sprachassistenten sollen nur auf Befehl reagieren – eigentlich. Doch sie zeichnen auch auf, was nicht für sie bestimmt ist.

 Googles Lautsprecherbox Home ist, wie auch die vernetzten Geräte anderer Anbieter, massiv in die Kritik von Datenschützern geraten. Denn sie alle seien in der Lage, ihre Nutzer permanent zu belauschen.

Googles Lautsprecherbox Home ist, wie auch die vernetzten Geräte anderer Anbieter, massiv in die Kritik von Datenschützern geraten. Denn sie alle seien in der Lage, ihre Nutzer permanent zu belauschen.

Foto: dpa-tmn/Google

Ein Wort genügt – und sie erledigen, was der Sprecher von ihnen möchte: Bestellen ein Taxi, erinnern an den nächsten Termin, schalten die Schlafzimmerlampe aus oder spielen das Lieblingslied. Immer mehr Verbraucher interessieren sich für die digitalen Sprachassistenten von Amazon, Google, Apple und Microsoft oder haben sie bereits bei sich zu Hause in Betrieb. So haben drei von vier Bundesbürgern schon Erfahrungen mit ihnen gesammelt oder können sich vorstellen, sie in Zukunft zu nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Kantar TNS im Auftrag des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW).

Gleichwohl: Die Befragten schätzen zwar den schnellen Zugriff auf Informationen, digitale Anwendungen und Online-Shopping, fürchten sich aber zugleich vor Datenmissbrauch und Überwachung durch Alexa, Google Home, Siri oder Cortana. Zu Recht, meint Stefan Nürnberger vom IT-Sicherheitsinstitut Cispa. Denn alle Audio-Aufzeichnungen und jede Interaktion wird für immer gespeichert. „Das sorgt schon für ein gewisses Unwohlsein“, so der Forschungsgruppenleiter am Zentrum für IT-Sicherheit. Die Entwickler der Unternehmen haben außerdem Zugriff auf diese Aufzeichnungen, um zum Beispiel die künstliche Intelligenz und Spracherkennung zu verbessern.

Digitale Sprachassistenten wie Amazons interaktiver Lautsprecher Echo mit dem Sprachdienst Alexa sind mit dem Internet verbunden und haben stets ein offenes Ohr, um auf Sprachbefehle reagieren zu können. Aufgezeichnet und auf die Server des Anbieters übertragen werden die Befehle aber laut Amazon erst, wenn das festgelegte Signalwort (möglich sind außer „Alexa“ auch „Amazon“, „Echo“ oder „Computer“) erkannt wird.

Dass dies jedoch mitnichten stimmt, ergab eine Untersuchung des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. So könnte Alexa auch reagieren und aufzeichnen, wenn nicht genau das Signalwort, sondern ein ähnliches Wort genannt werde. Der Sprachassistent aktiviere sich bereits ungewollt, wenn die Testpersonen „Alexander“ anstelle von „Alexa“ am Satzanfang verwendet haben, aber auch wenn ähnlich klingende Worte mitten im Satz genutzt wurden.

In Einzelfällen habe der Sprachservice auf starke Abwandlungen wie „komm Peter“ statt „Computer“ reagiert. „Dies zeigt“, so die Marktwächter, „dass Alexa auch ganz alltägliche Gesprächsinhalte aufzeichnen kann, die gar nicht für sie bestimmt sind.“ Die Verbraucherschützer raten, über die Einstellungen in der Alexa-App einen Ton zu aktivieren, der immer dann abgespielt wird, wenn der Sprachservice startet und Sprachaufzeichnungen weiterleitet.

Doch nicht nur unbeabsichtigte Ausschnitte aus Alltagsunterhaltungen können aufgezeichnet und an Amazon übertragen werden. Denn der Anbieter enthält eine Vielzahl von Daten, die ihm der Nutzer automatisch überlässt, wenn er den Sprachassistenten aktiviert. Nürnberger hat sich einmal die Mühe gemacht, aus seitenlangen Geschäftsbedingungen, die beim Anmelden von „Alexa“ erforderlich sind, herauszusuchen, wozu der Verbraucher automatisch seine Zustimmung gibt. „Ich hatte ja schon einiges erwartet“, gibt er zu, „aber das Ergebnis hat selbst mich überrascht.“

Die Liste reicht von Logins und Passwörtern über Zahlungs- und Browserdaten bis zu allem, was man je gesucht, angeschaut oder gekauft hat. Oder welche Artikel man in welcher Reihenfolge wie lange angeschaut hat. „Die Faustregel lautet: Jede Aktion, und stelle ich sie mir noch so trivial vor, wird gespeichert“, so der IT-Experte. Für „besonders kritisch“ hält er dabei, dass auch die Telefonnummern und Adressen aller Kontakte vom eigenen Handy zu den gespeicherten Informationen zählen. Und die Daten lagerten keinesfalls nur bei den Anbietern. Nach eigenen Angaben von Amazon gehen Teile der Daten an Marketplace-Anbieter, Paketdienstleister, Polizei, Staatsanwaltschaft, Werbeanbieter, Zahlungsdienstleister und den Kundenservice. Denn Daten sind Grundlage für Geschäftsmodelle.

Die Möglichkeiten, sich davor zu schützen, ein gläserner Verbraucher zu werden, sind allerdings begrenzt. Bei Amazon kann der Nutzer zum Beispiel nur die Spracheinkäufe für sein Alexa-fähiges Gerät deaktivieren. Bei Google gibt es immerhin die Möglichkeit (https://myaccount.google.com/activitycontrols) das Speichern von Web- und App-Aktivitäten, Standortverlauf, Geräteinformationen oder Sprach- und Audioaktivitäten zu unterbinden. Stefan Nürnberger empfiehlt Nutzern, schon im Betriebssystem (iOS, Android) seines Smartphones entsprechende Berechtigungen auszuschalten – wie etwa Zugriff auf das Adressbuch, Kamera und Kontakte. „Was man nicht preisgeben möchte, kann man ausschalten“, so der Informatiker. Auf der anderen Seite mache es gerade den Sinn und den Reiz bei Sprachassistenten aus, dass man mit ihnen in natürlicher Sprache kommunizieren kann. „Wenn mir das nicht gefällt“, bilanziert Nürnberger, „bleibt mir nur die Mülltonne – oder aber, sich solch ein Gerät gar nicht erst anzuschaffen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort