Illegaler Welpenhandel Der große Reibach mit kleinen Hunden

München · Der illegale Welpenhandel im Internet floriert. Tierschützer wollen dem Treiben Einhalt gebieten, doch das ist keine leichte Aufgabe.

 Besonders niedlich sollen die Welpen auf den Fotos wirken, wenn sie von illegalen Händlern im Internet auf Verkaufsplattformen angeboten werden.

Besonders niedlich sollen die Welpen auf den Fotos wirken, wenn sie von illegalen Händlern im Internet auf Verkaufsplattformen angeboten werden.

Foto: Getty Images/iStockphoto/joakimbkk

Ein paar Fotos des Hundebabys, möglichst niedlich dreinblickend, eine kurze Beschreibung und schon kann die Anzeige ins Netz gehen. Die Identität des Händlers prüft Ebay Kleinanzeigen, die größte Verkaufsplattform in Deutschland, nicht. Das nutzen Kriminelle im großen Stil aus. Immer mehr Fälle von illegalem Welpenhandel werden bekannt, im Jahr 2017 griffen die Behörden laut dem Deutschen Tierschutzbund 107 Tiertransporter auf, doppelt so viele wie in den Jahren zuvor. Tierschützer nehmen nicht nur die kriminellen Händler und die Verkaufsplattformen in die Pflicht. „Viele wollen einen Rassehundwelpen, möchten aber möglichst wenig zahlen. Das bietet Händlern einen idealen Absatzmarkt in Deutschland“, kritisiert Andrea Furler-Mihali vom Deutschen Tierschutzbund.

Die Probleme mit dem Welpenhandel Fast alle der auf dem Verkaufsportal angebotenen jungen Hunde kämen aus sogenannten Vermehrerstationen in Osteuropa, beklagen Tierschützer. Viele wüssten womöglich nicht, dass sie mit dem Kauf eines Welpen über Ebay Kleinanzeigen Tierquälerei unterstützen. „Wir sprechen hier bewusst von vermehren, da es sich dabei eindeutig nicht mehr um eine verantwortungsbewusste Zucht handelt, sondern es einzig um den Profit geht“, erklärt Daniela Schneider von der Tierschutzstiftung „Vier Pfoten“. Die Haltungsbedingungen der Hunde in diesen Stationen seien katastrophal. Die Elterntiere würden jahrelang in kleinen, dunklen Verschlägen, Kellern oder Scheunen gehalten, erklärt auch der Deutsche Tierschutzbund. Oft seien die Rüden noch stärker traumatisiert als die Zuchthündinnen, die als „Gebärmaschinen“ missbraucht würden. Könnten sich die Tiere nicht länger vermehren, würden sie von den Haltern „entsorgt“.

Wo kommen die Tiere her? Nach einer Auswertung vom Tierschutzbund von 2017 kommen die meisten Hunde aus Rumänien (20 Prozent), gefolgt von Ungarn (19 Prozent) und Bulgarien (15 Prozent). „Sie werden in engen Kofferräumen, Käfigen und Transportern ins Land gebracht, oft müssen sie tagelang ohne Futter oder Wasser auskommen“, so Schneider. „Einige der Tiere sterben schon während der Fahrt durch Europa.“ Damit der Käufer keinen Verdacht schöpfe, bekämen die kränklichen Welpen häufig ein Aufputschmittel verabreicht. „Meist tauchen die ersten Probleme dann schon nach wenigen Tagen im neuen Zuhause auf“, sagt Schneider. Viele der Welpen seien von Parasiten befallen, hätten offene Hautstellen und entzündete Wunden oder litten bereits vor dem Verkauf an lebensbedrohlichen Krankheiten. Auch tauchten bei den betroffene Tieren aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen oft Verhaltensstörungen auf, die sich nicht mehr in den Griff bekommen ließen.

Was hat das für Konsequenzen für den Käufer? Da die Welpen in der Regel bereits im Alter von vier bis sechs Wochen verkauft werden, sind sie noch zu jung für Impfungen, die sie zwingend zur Einreise nach Deutschland benötigen. Hunden könnten erstmalig geimpft werden, wenn sie acht Wochen alt sind, gegen Tollwut erst mit zwölf Wochen, erklärt Schneider. Bei Transporten aus dem EU-Ausland beträgt das Mindestalter für Hunde laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 15 Wochen. Erst drei Wochen nach der Tollwutimpfung spricht man von einem gültigen Impfschutz. Konkret bedeutet das, viele Händler verstießen mit ihrer Aufzucht und dem Transport nicht nur gegen das Tierschutzgesetz und gegen die Tierschutz-Hundeverordnung, die besagt, dass Welpen im Alter von frühestens acht Wochen vom Muttertier getrennt werden dürfen. Sie kämen auch mit ungeimpften Tieren und gefälschten Begleitpapieren nach Deutschland. „Auf die Besitzer kommen hohe Tierarztkosten zu, und selbst wenn das Tier überlebt, leiden viele ein Leben lang unter den traumatischen Erfahrungen der ersten Lebenswochen“, erklärt Schneider.

Wie viele Hunde sind betroffen? 641 Hunde wurden 2017 vom Veterinäramt, dem Zoll oder der Polizei beschlagnahmt, wie der Deutsche Tierschutzbund berichtet. Die Behörden erfahren in der Regel erst durch Straßenverkehrskontrollen der Polizei oder Hinweise aus der Bevölkerung von den Verstößen. Meist verzichteten die kriminellen Händler dann auch schnell auf ihr Eigentum. Aus gutem Grund, denn für die Unterbringung und medizinische Versorgung im Tierheim würden pro Tag im Schnitt 34 Euro fällig, die der Eigentümer übernehmen müsse. Stattdessen blieben die Tierheime auf diesen Kosten sitzen. Eine große finanzielle Belastung, erklärt der Tierschutzbund.

Wie lässt sich der illegale Handel stoppen? Die Tierschutzstiftung „Vier Pfoten“ sieht einen klaren Schuldigen für den Boom des illegalen Welpenhandels. Ebay Kleinanzeigen wehre sich nach wie vor, gegen unseriöse Welpenhändler vorzugehen, beklagt Daniela Schneider. Deswegen habe „Vier Pfoten“ auch die Petition „dankeebay“ (dankeebay.de) gegen das Online-Verkaufsportal gestartet. Mehr als 200 000 Internetnutzer hätten bereits unterschrieben. „Beispielsweise könnten mit einer Identitätsprüfung nur seriöse Händler Inserate schalten und unseriöse langfristig von der Plattform ausgeschlossen werden.“

Pierre Du Bois, Pressesprecher von Ebay Kleinanzeigen, hält diese Maßnahme für wirkungslos. Die Identität der Händler zu prüfen, biete keinen Schutz, erklärt er. „Angehörige von organisierter Kriminalität wissen, wie sie solche Systeme umgehen können.“ Zudem kämen beim illegalen Handel mit Tieren mittlerweile verstärkt Strohmänner zum Einsatz. Für ein geringes Entgelt stellten sie die Angebote bei Ebay Kleinanzeigen ein und übergäben die Welpen an den Käufer. Die Online-Verkaufsplattform habe den Handel mit Haustieren bereits „stark reguliert“. So sei etwa die Zahl der Anzeigen in der Kategorie „Hunde“ um ein Drittel gesunken. Wer eine Anzeige anklicke, bekomme außerdem dreimal ein Pop-up-Fenster angezeigt, das vor illegalem Welpenhandel warnen und Käufern Tipps zum Erkennen von seriösen Anbietern geben würde, erklärt der Pressesprecher.

Was können die Behörden tun? Stoppen könne Ebay Kleinanzeigen den illegalen Welpenhandel alleine nicht, sagt Pressesprecher Du Bois. „Wir sind ehrlich gesagt schockiert darüber, wie wenig auf Seiten der Behörden getan wird. Wir haben eine Menge sensible Daten über die Kriminellen, etwa ihre IP-Adressen, die wir mit den Ermittlern teilen könnten, aber danach fragt niemand.“ Solange die Anbieter nicht Gefahr liefen, bestraft zu werden, werde der illegale Handel mit Welpen auch nicht gestoppt, so Du Bois. „Und das ist letztlich nicht unsere Aufgabe.“ Bislang gibt es in Deutschland keinen Straftatbestand des illegalen Welpenhandels. Demnach kommt auf die Händler, sofern sie überhaupt gefasst werden, höchstens eine Geldstrafe zu. „Diese Kosten sind allerdings einkalkuliert und dienen nicht zur Abschreckung“, erklärt Tierschutzaktivistin Daniela Schneider. „Deshalb muss endlich ein Straftatbestand eingeführt werden.“

Einig sind sich Tierschützer, die Verkaufsplattform Ebay Kleinanzeigen und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zumindest in einer Sache. Im Kampf gegen den illegalen Welpenhandel sind auch die Verbraucher selbst gefragt. Wer den Verdacht schöpft, an einen unseriösen Anbieter geraten zu sein, sollte unbedingt vom Kauf des Welpen absehen. Auch wer dem Hund aus Mitleid ein neues Zuhause geben wolle, unterstütze die kriminellen Machenschaften der Züchter und Händler, mahnt das Ministerium. „Gehen Sie lieber ins örtliche Tierheim. Auch dort warten viele Vierbeiner auf ein neues Zuhause, darunter auch viele reinrassige Hunde. So schützen Sie sich selbst und unterstützen nicht die kriminellen Strukturen, die dieses enorme Tierleid verursachen“, rät Schneider.

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