Der Chef als Freund ist meist unerwünscht

Saarbrücken · Über soziale Netzwerke im Internet sind Freundschaften leicht zu schließen. Doch was ist zu tun, wenn eine Freundschaftsanfrage vom eigenen Chef im Postfach landet? Soll man die annehmen oder nicht?

Soziale Netzwerke erfreuen sich großer Beliebtheit. Nie war es so einfach wie heute, sich mit anderen Menschen weltweit über das Internet zu verbinden. Ein paar Klicks, und die Freundschaft bei Facebook ist besiegelt. Fortan erhält man aktuelle Statusmeldungen und Fotos des neuen Freundes und ist immer bestens über dessen Leben informiert. Auch Arbeitgeber sind in den Netzwerken aktiv. Wenn plötzlich die Freundschaftsanfrage des Chefs eintrifft, fühlen sich viele Arbeitnehmer aber überrumpelt. Denn die meisten wollen mit dem eigenen Vorgesetzten nicht über das Internet befreundet sein.

Dies gilt für Frauen, Männer, ältere und jüngere Personen gleichermaßen. 37 Prozent der Beschäftigten, die soziale Netzwerke nutzen, würden eine solche Anfrage auf keinen Fall annehmen, 20 Prozent wahrscheinlich nicht. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Aris im Auftrag des IT-Branchenverbands Bitkom. Nur neun Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie die Freundschaftsanfrage des Arbeitgebers auf jeden Fall bestätigen würden. Lediglich fünf Prozent bekannten, bereits mit dem Chef online befreundet zu sein.

Die meisten Menschen nutzen Facebook in erster Linie, um private Inhalte mit Freunden zu teilen. Bei Party- und Urlaubsfotos meinen die meisten Nutzer, dass diese den Chef überhaupt nichts angehen.

Das sei der Hauptgrund für die ablehnende Haltung, erklärt auch Bitkom-Experte Tobias Arns. "Für viele Arbeitnehmer wird die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem überschritten, wenn der Chef plötzlich zum Facebook-Freund werden möchte." Viele hinterfragten dessen Motivation: "Was bezweckt er damit? Will er mich ausspionieren?" Ob man den Arbeitgeber als virtuellen Freund annehmen sollte, hängt neben dem Wunsch zur Wahrung der Privatsphäre laut Arns vom persönlichen Verhältnis zu diesem ab. Sei dies eher kumpelhaft geprägt, spreche weniger dagegen, als wenn ein sachlicher Umgang gepflegt werde.

Aus der Bitkom-Umfrage geht hervor, dass 15 Prozent der Berufstätigen unsicher sind, wie sie bei einer Freundschaftsanfrage des Chefs oder der Chefin reagieren sollen. Sie fragen sich: "Darf ich meinen Boss überhaupt ablehnen?" Das hat mit der Furcht vieler vor negativen Konsequenzen zu tun. Schließlich will wohl niemand den eigenen Chef vor den Kopf stoßen. Arns geht davon aus, dass nicht wenige Facebook-Nutzer die Freundschaftsanfrage daher nur aus Unsicherheit oder Höflichkeit akzeptieren - was in der Folge mit persönlichen Einschränkungen verbunden sein könne: Ist der Chef im Facebook-Freundeskreis, haben die Betreffenden das Gefühl, sich nicht mehr frei im Netzwerk bewegen zu können.

Bitkom-Fachmann Arns hat aber einen Tipp parat, wie man in einem solchen Fall Abhilfe schaffen kann: "Auf Facebook können alle Postings in ihrer Sichtbarkeit eingeschränkt werden. Nutzer können zum Beispiel Gruppen für enge Freunde erstellen, von denen sie den Chef ausschließen." Allerdings sei dieses Prozedere umständlich, da der Nutzer bei jedem Beitrag überlegen müsse, für welche Gruppe er ihn freigibt. Daher empfiehlt Arns: "Wer unbeschwert posten möchte und kein freundschaftliches Verhältnis mit dem Chef pflegt, sollte auf eine Facebook-Freundschaft verzichten."

Zudem sieht Arns auch die Vorgesetzten in der Pflicht. Diese sollten sich vorab gut überlegen, wem und warum sie eine Freundschaftsanfrage stellen, und sich bewusst sein, dass sie ihre Mitarbeiter möglicherweise verunsichern oder gar unter Druck setzen.

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