Der Algorithmus der Liebe

München · Die Suche nach der großen Liebe im Internet kann kühl berechnet werden. Künftig könnten lernende Computer auf diese Weise den Singles viel Mühsal und vielleicht auch manche Enttäuschung ersparen. Die Dating-Branche rüstet sich für die Zukunft.

 Romantik oder kühle Berechnung? Beim Online-Dating entscheidet oft der Computer, wer zu wem passt.

Romantik oder kühle Berechnung? Beim Online-Dating entscheidet oft der Computer, wer zu wem passt.

Foto: Koark/dpa

Flirten in virtuellen Welten? Glaubt man Trendforschern wie Christian Schuldt vom Frankfurter Zukunftsinstitut, dann könnten sich viele Singles die Partnersuche auf Partys oder in der Diskothek bald sparen. Algorithmen sondieren potenzielle Partner für sie und arrangieren das romantische Kennenlernen oder erotische Abenteuer.

Online-Dating funktioniert auf zweierlei Art. Zum einen können Nutzer selbst ein Profil bei einem Portal anlegen, ihre Interessen angeben und im Anschluss nach Profilen suchen, deren Besitzer sie selbst ansprechen.

Zum anderen können sie sich aber auch an eine Partnervermittlung wenden. Hier wird in der Regel ein Fragebogen ausgefüllt, um dem Nutzer Mitglieder vorzuschlagen, die möglichst gut zu ihm passen. Sogenannte Matching-Algorithmen sollen dann zu diesem persönlichen Profil passende Partner suchen, erklärt Pamela Moucha vom Vergleichsportal singleboersen-vergleich.de. Jede Partnervermittlung verwende aber ihre eigenen Rechenverfahren, so Moucha. So gebe es Faktoren, die von Institut zu Institut deutlich unterschiedlich gewichtet werden, zum Beispiel der Geschmack beim Einrichtungsstil oder die Freizeitgestaltung. In der Regel bekommen Mitglieder einer Online-Partnervermittlung Vorschläge mit der Angabe, wie gut sie aufgrund der sogenannten Matching-Ergebnisse zueinander passen.

Laut Schätzungen halten etwa elf Millionen Menschen regelmäßig im Internet Ausschau nach möglichen Liebes- oder Sexpartnern. Rund 2500 deutschsprachige Singlebörsen, Partnervermittlungen, Seitensprung-Portale und ähnliche Anbieter buhlen um die Gunst der Flirtwilligen.

Auch kostenlose Apps mischen mit. Online-Dating, vor Jahren noch milde belächelt, scheint von Erfolg gekrönt zu sein. Laut einer Langzeitstudie des Oxford Internet Institutes werden 30 Prozent aller Beziehungen über das Internet angebahnt. Der Markt werde auch weiterhin in Bewegung bleiben, erwartet Friendscout24-Geschäftsführer Michael Pilzek. Man beobachte die Entwicklungen genau und werde auch Angebote auf Basis neuer Technologien entwickeln.

Bestärkt fühlt sich Pilzek dabei durch die Studie von Trendforscher Christian Schuldt, die Friendscout24 in Auftrag gegeben hatte. Demnach erwarten viele Nutzer passende Partnervorschläge in Echtzeit. Möglich könnte das beispielsweise mit smarten Kontaktlinsen und Brillen werden. Wenn diese digitalen Helfer eine Person mit einem passenden Profil derselben Partnerbörse erspähen, würde eine Art "persönlicher Dating-Butler" den Nutzer zum Anbändeln animieren, glaubt Schuldt.

Das mag manchem etwas unheimlich vorkommen - doch der Trendforscher will beruhigen. So ganz im Cyberspace verlieren werden sich die Menschen nach seiner Überzeugung nicht. Ein Gegentrend zeichne sich auch schon ab, weil sich längst nicht jeder bei Liebe , Sex und Partnerschaft von Maschinen bevormunden lassen wolle. Auch Pamela Moucha von singleboersen-vergleich.de sieht die Partnersuche per Rechenprogramm kritisch. "Ob zwei Menschen tatsächlich zusammenpassen, zeigt sich immer im persönlichen Kontakt", sagt sie. Der Algorithmus erhöhe nur die Wahrscheinlichkeit, dass man sich treffe.

Persönlicher geht es beim Online-Portal "Im Gegenteil" zu. Mit aufwendigen Fotostrecken und ausführlichen Texten werden dort Singles porträtiert. Bisher waren es rund 450, sagt Annelie Kralisch-Pehlke, die das Unternehmen 2013 gemeinsam mit ihrer Freundin Juliane Müller gründete. Das Portal finanziert sich über Marketing-Aktionen - die Porträtierten selbst und Menschen, die mit ihnen in Kontakt treten wollen, zahlen dagegen nichts. Dass die Porträts auf der Seite für jeden Internetnutzer offen einsehbar sind, sei kein Problem. Viele der Leute gäben sehr viel persönlichere Dinge über Facebook oder Instagram von sich preis, und Nachnamen oder gar Adressen seien nie über die Plattform einsehbar.

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