Wertverlust von 80 Prozent Die Leiden der jungen Währungen

New York · Der Wert digitalen Gelds wie Bitcoin stürzte zwar drastisch ab, aber das bedeutet nicht das Ende für die Technologie.

 Bitcoin ist eine virtuelle Währung, deren Zahlungseinheiten durch komplizierte Rechenoperationen von Computern generiert werden.

Bitcoin ist eine virtuelle Währung, deren Zahlungseinheiten durch komplizierte Rechenoperationen von Computern generiert werden.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Am 17. Dezember 2017 war es soweit: Der Bitcoin-Preis kratzte auf einigen Online-Börsen an der magischen Marke von 20 000 Dollar. Der Rummel um digitale Währungen erreichte mit diesem Rekord­stand einen neuen Höhepunkt. Auch einige Finanzanalysten ließen sich vom Krypto-Fieber anstecken und prognostizierten, dass der rasante Kursanstieg erst der Anfang sei. Die Euphorie verflog jedoch rasch, ein Jahr später steht der Bitcoin-Preis bei rund 3400 Dollar – der Kurs hat mehr als 80 Prozent eingebüßt.

Für US-Starökonom Nouriel Roubini ist damit nicht weniger als die „größte Spekulationsblase der Menschheitsgeschichte“ geplatzt. Die Übertreibungen seien schlimmer als bei Hollands Tulpenmanie im 17. Jahrhundert und jedem anderen Spekulations-Crash, der je zuvor an den Finanzmärkten stattfand. Roubini, der die Finanzkrise von 2008 vorhersagte und wegen seiner generell oft pessimistischen Vorhersagen auch „Dr. Doom“ (englisch für Verderben) genannt wird, bezeichnet Bitcoin als „Mutter aller Betrügereien“.

Fest steht, dass viele, die auf dem Zenit des Bitcoin-Höhenflugs in digitale Währungen investierten, es heute bitter bereuen. Ob man Kryptowährungen deshalb ganz abschreiben sollte, steht auf einem anderen Blatt. Deren Geschichte ist geprägt von extremen Aufs und Abs. Totgesagt wurde das 2009 entstandene Projekt, das keiner Kontrolle von Staaten und Banken unterliegt, schon mehrere Male.

2011 stürzte der Kurs nach einem ersten Rekordhoch von 30 Dollar auf unter drei Dollar ab. Doch 2013 folgte ein Comeback und es wurde erstmals die Schwelle von 1000 Dollar erreicht. Schon damals war die Skepsis groß. „Es gibt jeden Grund anzunehmen, dass der Bitcoin-Boom bald endet“, schrieb der „Economist“ und Analysten sahen bereits „Muster einer aggressiven Spekulationsblase“. Tatsächlich fiel der Bitcoin-Preis zunächst bis auf fast 200 Dollar zurück und dümpelte lange Zeit vor sich hin, bis 2017 der Gipfelsturm Richtung 20 000 Dollar begann.

Der aktuelle Absturz könnte die Branche aber stärker erschüttern. Denn angesichts der immensen Mittel, die zwischenzeitlich in digitale Währungen und die dazugehörige Technologie investiert wurden, geht es um eine ganz andere Dimension als bei früheren Kursstürzen. Was als Spielerei der Krypto-Szene begann und sich langsam als Geheimtipp in Finanzkreisen herumsprach, war plötzlich in aller Munde und viele wollten dabei sein.

Zeitweise war der Wirbel so groß, dass Unternehmen ihren Börsenwert vervielfältigen konnten, indem sie ihre Namen in irgendetwas änderten, was mit Bitcoin und der dahinter steckenden Blockchain-Technologie zu tun hatte. Zum Inbegriff des Krypto-Goldrauschs wurde die Getränkefirma Long Island Iced Tea, deren Aktienkurs sich nach der Umbenennung in „Long Blockchain Corp“ sofort verdreifachte. Es folgte jedoch auch hier schnell der Totalabsturz – zuletzt war die Aktie nur noch 13 Cent wert.

Befeuert wurde der Krypto-Höhenflug auch durch umstrittene Werbeaktionen von Stars wie der Hotelerbin Paris Hilton, dem früheren Boxweltmeister Mike Tyson und anderen Prominenten. Die US-Börsenaufsicht verdonnerte jüngst einen weiteren ehemaligen Box-Champion, Floyd Mayweather, und den Hip-Hop-Produzenten DJ Khaled wegen unlauterer Werbung für dubiose Geschäfte mit digitalen Währungen zu hohen Geldstrafen. Die beiden hatten über die sozialen Medien sogennannte „Initial Coin Offerings“ (ICOs) beworben, ohne offenzulegen, dass sie dafür Geld erhielten.

Die Flut an ICOs, also digitaler Börsengänge, bei denen Unternehmen statt Aktien Digitalgeld ausgeben, war das vielleicht deutlichste Alarmsignal am heißgelaufenen Krypto-Markt. Zwischenzeitlich schien es, als würde jeder findige Geschäftsmann mit Anlegergeld überschüttet, der einen neuen Coin auflegt. US-Aufseher gehen davon aus, dass es sich bei diesen Deals in etlichen Fällen um Betrug handelte. Der Beratungsfirma EY zufolge liegen 86 Prozent der ICOs von 2017 unter ihrem Ausgabewert.

Viele neue Währungen sind dementsprechend schnell wieder von der Bildfläche verschwunden. Das Marktvolumen aller Kryptowährungen ist seit Anfang des Jahres um fast 90 Prozent auf zuletzt unter 110 Milliarden Dollar gefallen. Das bringt eine ganze Industrie in Not, die im Zuge des Booms entstand. Viele Jobs fallen weg, Hardware wird verschrottet, denn Equipment und Stromkosten etwa zum Bitcoin-Schürfen lohnen sich nicht mehr.

Andererseits könnten die beträchtlichen Investitionen, die in die noch recht junge Branche geflossen sind, auch ein Grund zur Hoffnung sein. Denn Anleger – auch große Akteure der Finanzindustrie – haben inzwischen so viel Geld in Technologien rund um Kryptowährungen gesteckt, dass nicht einfach so der Stecker gezogen werden dürfte. Insgesamt zeige der Abwärtstrend nur einmal mehr, „dass die ganze Anlageklasse gerade erst am Beginn ihres Erwachsenwerdens steht“, meint Leonard Zobel vom Berliner Start-up Next Block, das eine in Deutschland regulierte Börse für Kryptowährungen plant. Zudem wird der Blockchain-Technologie immer wieder großes Potenzial in verschiedenen Bereichen über Bitcoin & Co hinaus zugesprochen.

(dpa)
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