Das Smartphone macht unglücklich

Saarbrücken · Unsere Smartphone-Nutzung hat ein abnormes Ausmaß erreicht, warnt der Bonner Informatiker Alexander Markowetz. Alle 18 Minuten schaut der Durchschnittsnutzer auf den Bildschirm seines Telefons. Das sei nicht mehr gesund.

 Wer ständig auf Smartphone und Laptop schaut, ist unkonzentriert und wird betrübt. Foto: Kaspersky

Wer ständig auf Smartphone und Laptop schaut, ist unkonzentriert und wird betrübt. Foto: Kaspersky

Foto: Kaspersky

Wenn Kinder sich nicht konzentrieren können, im Kindergarten ständig herumzappeln oder hyperaktiv in der Schule den Unterricht stören, sprechen Mediziner von ADHS - und viele Eltern neigen kundig den Kopf. Der Zappelphilip ist ein verbreitetes Problem und Gesprächsthema vieler Elternrunden an Kinderspielplätzen. Doch sind die Probleme im Kindesalter nichts im Vergleich zu jenen, die auf uns Erwachsene zukommen, wenn wir nicht lernen, unser Smartphone verantwortungsvoll zu benutzen, warnt Alexander Markowetz.

Der Mann gehört einer Berufsgruppe an, von der man eigentlich andere Töne erwarten könnte. Markowetz ist Informatiker, Professor an der Universität Bonn, - und er sagt: Smartphones zerstören unsere Konzentrationsfähigkeit, ihre Apps wirken wie Drogen und machen viele Menschen unglücklich. Seinen Warnruf zur digitalen Technik hat er nun in einem Buch niedergeschrieben: "Digitaler Burnout - Warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist".

Der Informatiker hat ein wissenschaftliches Experiment gestartet, bietet eine App an, die nichts anderes tut, als das Verhalten des Nutzers am Handy aufzuzeichnen und diese Daten anonymisiert zu Forschungszwecken an die Bonner Hochschule überträgt.

300 000 Datensätze

Über 300 000 Personen haben seine App "Menthal" heruntergeladen, rund 60 000 Datensätze davon sind ausgewertet. Das Ergebnis sei alarmierend. Es zeige, "dass unsere Handynutzung ein abnormes Ausmaß erreicht hat." Der Durchschnittsnutzer aktiviert den Bildschirm des Geräts 88-mal am Tag - 35-mal, um die Uhrzeit abzulesen. In 53 Fällen interagiert er allerdings mit dem Gerät, schreibt eine Mail, benutzt eine App oder surft im Internet.

Geht man davon aus, dass der Durchschnittsdeutsche acht Stunden am Tag schläft, bedeutet das, dass er tagsüber alle 18 Minuten sein Smartphone aktiviert und eine andere Tätigkeit unterbricht. Echte Smartphone-Junkies hängen noch viel häufiger vor dem Bildschirm. Eine Untersuchung der Uni Ulm kommt zum Ergebnis, dass Studenten das Gerät alle zwölf Minuten aktivieren. Konzentriertes Arbeiten ist unter solchen Umständen nicht mehr möglich.

Was geschieht mit Menschen, die völlig im Bann der digitalen Technik stehen? Sie sind unproduktiv, unglücklich und werden am Ende möglicherweise krank, so Markowetz. Exzessive Smartphone-Nutzung zeige Anzeichen einer Sucht, schreibt der Informatiker. Er präsentiert einen Selbsttest, dessen acht Fragen jedermann erlauben sollen, diese Frage auch für sich persönlich zu beantworten. Während die digitale Revolution bisher zu einem steten Zuwachs an Produktivität geführt hat, scheine die Entwicklung mit Einführung des Smartphones gestoppt. Es ist zur digitalen Störtrompete unseres Arbeitsalltags geworden. Deren permanente Unterbrechungen unserer Konzentration seien mittlerweile "wahrnehmbare Negativeffekte der Digitalisierung".

Es geht Markowetz in seinem Buch keineswegs darum, den digitalen Fortschritt allgemein zu verteufeln. Unbestritten sei das Smartphone ein Element einer Entwicklung, der wir uns nicht entziehen können und die langfristig die Welt verändern wird. Doch notwendig seien ebenso neue, gesündere Umgangsformen mit digitaler Technik, so Markowetz. Dazu zählt er auch eine digitale Diät. Zu Fragen der Ernährung gebe es eine riesige Auswahl an Ratgebern, zum richtigen Umgang mit dem Internet dagegen so gut wie keine Hilfen. "Wir sind jetzt gefordert, eine Kulturtechnik zu entwickeln, die uns für den Rest des 21. Jahrhunderts begleitet. Die Lektionen, die wir jetzt lernen, werden wir auf spätere Neuerungen immer wieder anwenden können."

Alexander Markowetz: Digitaler Burnout, Droemer Knaur , Oktober 2015, 288 S., 19,99 Euro, ISBN 978-3-426-27670-9

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