Digitale Ökosysteme Das Smartphone als Auto-Fernbedienung

Stuttgart · Fahrzeuge werden immer digitaler und vernetzter, das Handy wird dabei zum verlängerten Arm des Nutzers.

 Digitale Systeme wie„Connected Drive“ von BMW bieten aktuelle Infos, Musikstreaming und die Smartphone-Integration via Apple Carplay oder Android Auto.

Digitale Systeme wie„Connected Drive“ von BMW bieten aktuelle Infos, Musikstreaming und die Smartphone-Integration via Apple Carplay oder Android Auto.

Foto: dpa-tmn/Daniel Kraus

Bei immer mehr Herstellern lassen sich bestimmte Funktionen des Autos per Handy bedienen, sogenannte digitale Ökosystemen machen dies möglich. Das Smartphone arbeitet dabei als Fernbedienung für vernetzte Autos. Diese Vernetzung ließe sich in Zukunft für immer mehr Dienste realisieren, sind die Hersteller überzeugt.

Mercedes integriert seit 2014 das digitale Ökosystem „Me“ in seine Fahrzeuge. Über fünf Millionen Nutzer weltweit hätten die zugehörige App auf ihrem Smartphone installiert. Darüber könnten sich Besitzer anmelden und verschiedene Funktionen des Autos per Smartphone steuern. „Me von Mercedes ist ein digitaler Helfer rund um Auto und Mobilität, der das Leben der Kunden vereinfachen soll“, erklärt Mathias Vaitl, Mercedes-Verantwortlicher für Me und digitale Dienste.

Fahrzeuge ab Baujahr 2002 könnten bei Mercedes über einen kostenlosen Steckadapter für das Diagnosesystem des Fahrzeugs (OBD II) mit der App vernetzt werden, ältere Fahrzeuge ließen sich nicht nachrüsten. Zu den Basisdiensten zählten unter anderem Wartungs- und Pannenmanagement sowie Fahrzeugferndiagnose. Weitere Dienste wie Verkehrsinformationen oder Tankstellenpreise seien für drei Jahre kostenlos. Über die App ließe sich auch ein Servicetermin beim Händler vereinbaren.

Künftig solle das Smartphone mit der App auch zum digitalen Schlüssel werden. Darüber ließen sich dann Fahrzeugrechte verteilen, Dienste buchen oder verlängern und auch die Software im Auto kann aktualisiert oder aufgerüstet werden.

Volkswagen bietet mit We seit 2017 eine digitale Plattform für Mobilitätsdienste, die über den Autoverkauf hinausgeht und auch Carsharing, Leasing oder Mieten einbindet. Nutzer könnten per We-Connect-App auf verschiedene Dienste wie bargeldloses Parken, das Abrufen von Kilometerstand und Tankfüllstand sowie zurückgelegte Strecken zurückgreifen.

Mit dem Handy lasse sich das Auto entsperren und bei E-Autos der Strom bezahlen. „Der Vorteil für Kunden liegt darin, dass sie viel über ihr Fahrzeug und ihre Fahrweise lernen, dazu erleichtert es den Alltag“, sagt Christoph Hohmann von VW.

Zudem solle We möglichst viele Autos untereinander vernetzen, sodass die Fahrer frühzeitig Infos über freie Parkplätze, Unfälle oder Unwetter auf der Fahrstrecke erhielten. Außerdem sollten sich Funktionen nur dann freischalten und bezahlen lassen, wenn sie auch gebraucht werden, etwa Navi-Karten nur für den Urlaub. Dieses Modell sei bei anderen Unternehmen wie Tesla schon etabliert. VW vernetze seit diesem Sommer jedes Neufahrzeug ab Werk, ältere Modelle ließen sich für knapp 40 Euro nachrüsten.

Für Jan Burgard, Geschäftsführer der Beratungsfirma Berylls Strategy Advisors, wird ein digitales Ökosystem von Autoherstellern erst wertvoll, wenn es mindestens genauso gut oder besser als bekannte Systeme aus dem Smartphone-Bereich ist. Für ihn sei mit entscheidend, dass beliebte Dienste von Drittanbietern integriert würden. „Wenn das System meine Wünsche und Anforderungen kennt, versteht und dadurch in der Lage ist, mein mobiles Leben zu erleichtern, dann ist es ein Zugewinn. Das werde aber kaum zu erreichen sein, wenn die Dienste nahezu ausschließlich an das Fahrzeug gebunden seien.

Derzeitige Zwischenlösungen wie Android Auto oder Apple Carplay verbänden zwar die Benutzeroberflächen von Smartphone und Fahrzeug, im Hintergrund arbeite aber das Smartphone. Für Autohersteller sei das kein einträgliches Geschäftsmodell. Das werde es erst, wenn Kunden kostenpflichtige Dienste der Hersteller buchten.

Derzeit seien fast alle Hersteller zu eigenen Systemen gezwungen, um vor allem Kunden von Elektrofahrzeugen den Technologie-Übergang zu erleichtern.

Peter Henrich, Leiter Produktmanagement bei BMW, sieht Fahrzeuge und digitale Dienste näher zusammenrücken. „Kaufgründe eines BMW sind für die meisten Kunden noch Design, Technik und Fahrverhalten. Aber digitale Dienste werden wichtiger“, sagt Henrich. BMW vernetze seine Fahrzeuge mit Connected Drive. Als digitaler Mobilitätsassistent solle das System die Vorbereitung der Fahrt und die Fahrt selbst erleichtern.

„Connected Drive bietet im Auto eine Verbindung zur Außenwelt. Fahrer erhalten aktuelle Infos. Dazu lässt sich unter anderem Musik streamen, Smartphones werden über Apple Carplay und Android Auto integriert“, sagt Henrich. Bisher seien über 14 Millionen BMW-Fahrzeuge vernetzt.

Dass ein digitales Ökosystem dabei zwingend mit der Antriebsart des Autos zusammenhängt, sieht Peter Henrich nicht. „Innovativ denkende Menschen sind zwar neuen Antriebsarten wie der Elektromobilität besonders aufgeschlossen, aber auch Kunden von Verbrennern interessieren sich für und nutzen digitale Dienste“, sagt er.

(dpa)
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