Neue Studie Das Geschäft mit den gekauften Sternen

Saarbrücken · Internetbewertungen sind laut Stiftung Warentest mit Vorsicht zu genießen. Viele davon werden von Agenturen verkauft.

 Fünf-Sterne-Bewertungen sollen auf ein gutes Produkt verweisen. Häufig haben die Rezensenten die Produkte aber gar nicht getestet.

Fünf-Sterne-Bewertungen sollen auf ein gutes Produkt verweisen. Häufig haben die Rezensenten die Produkte aber gar nicht getestet.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/marchmeena29

Im Internet gibt es mittlerweile fast so viele Sterne wie in einer klaren Sommernacht am Himmel. Je mehr Sterne, desto besser die Bewertung für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Eigentlich. Dass das häufig aber mehr Schein als Sein ist, hat die Stiftung Warentest in einem Vergleich herausgefunden. Demnach verkauften spezialisierte Agenturen geschönte Bewertungen und beeinflussten so gezielt die Sterne.

So mischten sich unter die Beurteilungen echter Nutzer immer häufiger gefälschte Bewertungen, mit denen Händler ihre Sternchen-Bilanz aufpolierten. Diese Bewertungen können laut Stiftung Warentest ganz leicht erworben werden, zehn Stück kosteten beispielsweise 99 Euro. In einem Experiment der Verbraucherorganisation, das von Dezember bis Mai dauerte, hatten Tester für insgesamt sieben Agentur-Webseiten, darunter lutendo.de, fivestars-oms.net und testerjob.net, jeweils sechs Rezensionen, verfasst.

Von den 42 Bewertungen seien 63 Prozent teils massiv beeinflusst worden, etwa indem die Agenturen auf eine Fünf-Sterne-Bewertung bestanden hätten. Die bewerteten Produkten reichte von Kopfhörern über Toilettenbürsten bis hin zu Apps. Die Agenturen hätten genaue Anweisungen für die Rezensionen vorgegeben. So sei beispielsweise bei 26 Prozent aller Bewertungen verlangt worden, mindestens vier oder gar fünf Sterne zu vergeben, sonst wäre die Beurteilung nicht zugelassen worden. Selbst die Kosten für die zuvor bestellten Produkte seien erst erstattet worden, nachdem die Bewertungen zugelassen waren. Auch hätten die Agenturen darauf gedrängt, Bewertungen anderer Nutzer als hilfreich zu bewerten. Besonders perfide  sei gewesen, dass die Agenturen darauf gedrängt hätten, Bewertungen einfach zu erfinden, denn rund 21 Prozent der Produkte hätten die Prüfer niemals zu Gesicht bekommen. So mussten laut Stiftung Warentest die Tester anhand von Fotos Kopfhörer, Pullover und Schuhe bewerten. Bei anderen Produkten hätten die Tester nicht einmal den Artikel gekannt. In einem Fall habe eine unbekannte Dating-App mithilfe von Stichworten und der Vorgabe der Textlänge verfasst werden müssen. Bei zu niedrigen Bewertungen sei zusätzlich Druck aufgebaut worden. Wurden nur drei Sterne vergeben, habe die Agentur nachgehakt und gefragt, ob sich der Nutzer mit seinem Urteil sicher sei. Wer mit dieser Arbeit Geld verdienen wolle, knicke dabei wahrscheinlich ein, vermutet die Stiftung. In zwei Prozent der Fälle sei ein Zusatzauftrag erteilt worden, beispielsweise die Rezension eines anderen Nutzers als hilfreich zu markieren. Selbst Sterne zu kaufen, sei  erschreckend einfach. Mithilfe eines Webseiten-Besitzers habe die Stiftung bei vier Agenturen 120 gute Bewertungen kaufen können. Dabei hätten alle Agenturen rund zehn Euro pro Kritik verlangt.

Nach der Bezahlung liefen die Bewertungen in den darauffolgenden Tagen wie bestellt ein. Dabei hätten die Beurteilungen erschreckend echt geklungen. Deshalb rät die Stiftung Warentest, bei jeder noch so glaubwürdigen Rezension misstrauisch zu sein.

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